NDA
8104
Ich möchte einmal eine provokante Theorie aufstellen.
Ultras sind ja Menschen, welche eine sehr starke Identifikation mit dem entsprechenden Verein haben. Sie tun dies in einer Gruppe gleichgesinnter und sind durchaus auch bereit, für Ihre Ideale und Überzeugungen einzustehen und diese auch zu verteidigen. Das verbindene Element in einer Ultragruppe ist aber, genau wie bei z.b. einem Fanclub, der Verein an sich. Der Wunsch mehr für den Verein, die Mannschaft zu geben, als 90 min alle 2 Wochen etwas singen, vereint ja auch die Gruppen und sorgt für ein sehr starkes Zusammengehörigkeitsgefühl. Hierbei erleben sicherlich viele, zum ersten mal, ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl, ein Teil einer sozialen Gemeinschaft zu sein. Dies bestärkt einen sicherlich auch darin, bei Konfliksituationen stehen zu bleiben und Zusammen zu stehen. Bei anderen Menschen ist es der Kegelclub, der Sportverein im eigene Dorf etc. Alle erfüllen eine soziale Aufgabe und ich bewerte weder das eine noch das andere als besser.
Ich habe aber jetzt folgende Überlegung, die ich weder belegen noch beweisen kann. Auf Grund der massiv gestiegenenden Medienpräsenz, welche die Ultragruppierungen in den letzten Jahren erfahren durften / mußten, könnten eventuell frustrierte Menschen auf Sie aufmerksam geworden sein. Menschen denen die Liebe zum Verein nicht so wichtig ist, sondern die eher den Reiz der "Straßenschlachten" suchen. Die den Aufstand gegen Staat und gegen die Gesellschaft, in welcher sie sich nicht akzeptiert oder geborgen fühlen, suchen. ( Ob zu Recht oder nicht sei einmal dahin gestellt)
Man könnte natürlich annehmen, dass sich diese einfach Hooligans an schließen könnten, aber diese sind meiner Meinung nach nicht mehr "hip". Ultra sein hat momentan eher den Klang nach jung, rebellisch und modern zu sein.
Um den Bogen zu schlagen, besteht die Möglichkeit, dass sich eventuell einige Individuen Ultraszenen anschließen, deren primäres Interesse am Kampf und nicht an der Unterstützung des Vereins gelegen ist. Sobald sich dann eben eine kleine Gruppe gleichgesinnter gefunden hat, kann man seine innerlich aufgestauten Gefühle in Gewaltexplosionen entladen. Das hierbei dann auch Waffen eingesetzt werden ist dann nicht weiter verwunderlich, den diesen Menschen geht es um "größtmögliche" Exzesse und nicht um Ehre und Tradition, weshalb auch "Größen" der Szene kaum, bzw. nur einen geringen Einfluß auf diese Mitglieder haben.
Ich persönlich vermutet, dass wir dieses moentan eher in den östlichen Bundesländern sehen können, weil dort eben, auf Grund der wirschaftlichen schwierigeren Verhältnisse, mehr Potential vorhanden ist.
Ultras sind ja Menschen, welche eine sehr starke Identifikation mit dem entsprechenden Verein haben. Sie tun dies in einer Gruppe gleichgesinnter und sind durchaus auch bereit, für Ihre Ideale und Überzeugungen einzustehen und diese auch zu verteidigen. Das verbindene Element in einer Ultragruppe ist aber, genau wie bei z.b. einem Fanclub, der Verein an sich. Der Wunsch mehr für den Verein, die Mannschaft zu geben, als 90 min alle 2 Wochen etwas singen, vereint ja auch die Gruppen und sorgt für ein sehr starkes Zusammengehörigkeitsgefühl. Hierbei erleben sicherlich viele, zum ersten mal, ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl, ein Teil einer sozialen Gemeinschaft zu sein. Dies bestärkt einen sicherlich auch darin, bei Konfliksituationen stehen zu bleiben und Zusammen zu stehen. Bei anderen Menschen ist es der Kegelclub, der Sportverein im eigene Dorf etc. Alle erfüllen eine soziale Aufgabe und ich bewerte weder das eine noch das andere als besser.
Ich habe aber jetzt folgende Überlegung, die ich weder belegen noch beweisen kann. Auf Grund der massiv gestiegenenden Medienpräsenz, welche die Ultragruppierungen in den letzten Jahren erfahren durften / mußten, könnten eventuell frustrierte Menschen auf Sie aufmerksam geworden sein. Menschen denen die Liebe zum Verein nicht so wichtig ist, sondern die eher den Reiz der "Straßenschlachten" suchen. Die den Aufstand gegen Staat und gegen die Gesellschaft, in welcher sie sich nicht akzeptiert oder geborgen fühlen, suchen. ( Ob zu Recht oder nicht sei einmal dahin gestellt)
Man könnte natürlich annehmen, dass sich diese einfach Hooligans an schließen könnten, aber diese sind meiner Meinung nach nicht mehr "hip". Ultra sein hat momentan eher den Klang nach jung, rebellisch und modern zu sein.
Um den Bogen zu schlagen, besteht die Möglichkeit, dass sich eventuell einige Individuen Ultraszenen anschließen, deren primäres Interesse am Kampf und nicht an der Unterstützung des Vereins gelegen ist. Sobald sich dann eben eine kleine Gruppe gleichgesinnter gefunden hat, kann man seine innerlich aufgestauten Gefühle in Gewaltexplosionen entladen. Das hierbei dann auch Waffen eingesetzt werden ist dann nicht weiter verwunderlich, den diesen Menschen geht es um "größtmögliche" Exzesse und nicht um Ehre und Tradition, weshalb auch "Größen" der Szene kaum, bzw. nur einen geringen Einfluß auf diese Mitglieder haben.
Ich persönlich vermutet, dass wir dieses moentan eher in den östlichen Bundesländern sehen können, weil dort eben, auf Grund der wirschaftlichen schwierigeren Verhältnisse, mehr Potential vorhanden ist.
http://www.faz.net/s/RubCF3AEB154CE64960822FA5429A182360/Doc~E91815B3EEC0843379CF3BA53A8BF456A~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Text: F.A.Z., 04.01.2008, Nr. 3 / Seite 40
Barbara Frischmuth im Gespräch
Die Aleviten sind sehr enttäuscht
Die Alevitische Gemeinde sieht sich von einer „Tatort“-Folge verunglimpft. Barbara Frischmuth hat sich in ihren Romanen mit alevitischen Lebensformen befasst. Im F.A.Z.-Interview spricht die österreichische Autorin über eine faszinierende Kultur, schnelle Vorurteile und überzogene Reaktionen.
Frau Frischmuth, die Alevitische Gemeinde Deutschland wirft dem NDR vor, der Tatort „Wem Ehre gebührt“ leiste dem Vorurteil Vorschub, dass Aleviten eine unislamische, laxe Sexualmoral hätten und Inzest betrieben. Sie selbst haben verschiedene Romane veröffentlicht, die im alevitischen Milieu spielen. Sind Sie bei Ihren Recherchen auf diese Vorurteile gestoßen?
Ja, natürlich. Seitdem die Aleviten im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert das erste Mal als Religionsgemeinschaft in Erscheinung traten, wirft man ihnen vor, die Gesetze von Anstand und Moral nicht zu respektieren. Jeder, der über die Aleviten recherchiert, kann das nachlesen.
Die Aleviten folgten bei ihren Feiern präislamischen Riten, wie sie bei den Nomaden üblich waren. Das heißt, Männer und Frauen feierten gemeinsam und tranken Alkohol. Die Sunniten warfen den Aleviten deshalb vor, regelrechte Orgien zu feiern.
In der orientalischen Gesellschaft war es ungewöhnlich, Frauen nicht auszuschließen.
Natürlich, aber man kann die Freiheiten der alevitischen Frau nicht mit der Freizügigkeit vergleichen, die Frauen damals in westlichen Gesellschaften genossen. Anders als bei den Sunniten hatte die religiöse Gleichberechtigung der Frau immer eine sehr hohe Bedeutung bei den Aleviten. Alevitische Männer wurden immer erst dann zu den religiösen Riten zugelassen, wenn sie verheiratet waren - auch darin drückt sich die Hochachtung gegenüber der Frau aus. Wenn ein Fremder in der anatolischen Abgeschiedenheit um Einlass bat, dann durfte ihn die Frau sogar alleine empfangen. Bis heute gibt es kein Verschleierungsgebot für die Frau und keine Vielehen.
Wurden die Aleviten wegen ihrer angeblich laxen Sexualmoral verfolgt?
Im Osmanischen Reich galten sie als vogelfrei und zogen sich deshalb fast ganz in die Abgeschiedenheit Anatoliens zurück. Die Gerüchte über ihre Sexualmoral waren jedoch nicht der einzige Grund für die Unterdrückung. Man warf ihnen vor, nicht die fünf Säulen des Islams zu respektieren: Aleviten pilgern nicht nach Mekka. Sie sagen: „Wenn man die Kaba nicht im eigenen Herzen findet, dann findet man sie nirgendwo.“ Sie beten nicht fünfmal am Tag und besuchen keine Moschee, sondern treffen sich in sogenannten Cem-Häusern. Aleviten fasten nicht im Monat Ramadan, dafür jedoch zu anderen Zeiten. Auch das islamische Recht, die Scharia, erkennen sie nicht an. Insgesamt sind die Aleviten in ihrem Glauben stärker pietistisch-tanteistisch orientiert als die Sunniten. Das heißt, sie legen mehr Wert auf innere Frömmigkeit als auf öffentliche Bekenntnisse zum Glauben. Aleviten betonen die gleichberechtigte Existenz aller Religionen.
Übertreibt es die Deutsche Alevitische Gemeinde nicht ein wenig mit ihrer Reaktion auf den Film?
Grundsätzlich finde ich solche Reaktionsweisen immer überzogen. Doch offenbar haben die Aleviten das Gefühl, dass der Film alte Vorurteile wiederbeleben könnte, deshalb kann ich ihre Reaktion verstehen. Ich denke, mit dem Protest wollen die Aleviten auch zeigen, dass sie demokratische Mittel nutzen, um ihre Rechte einzufordern. Für viele Aleviten mag jetzt der Moment gekommen sein, sich als Religionsgemeinschaft zu präsentieren. Sie zeigen Vorurteile auf, die in der Türkei noch immer sehr lebendig sind.
Wie ist ihre Situation dort heute?
Sehr ambivalent. Auf der einen Seite interessieren sich vor allem türkische Intellektuelle immer mehr für die alevitische Kultur. Denn das alevitische Religionsmodell ist ein nichtwestliches und hat sich gleichzeitig als viel kompatibler für die Moderne gezeigt als das der Sunniten. Viele Türken entdecken plötzlich ihre alevitischen Wurzeln. Auf der anderen Seite gibt es immer wieder Konflikte mit orthodoxen Muslimen. Die Aleviten sind sehr enttäuscht worden in der Türkei. Man hatte versprochen, sie als Religionsgemeinschaft anzuerkennen. Doch das ist bis heute nicht der Fall. Ihr großer Kummer ist, dass ihre Kinder den normalen muslimischen Schulunterricht besuchen müssen, obwohl sie von den Sunniten als Ketzer behandelt werden und sich die religiösen Inhalte einfach nicht decken.
In vier deutschen Bundesländern wird dagegen im nächsten Schuljahr der alevitische Religionsunterricht eingeführt.
Wahrscheinlich sind die Aleviten auch deshalb so über den Film enttäuscht. Ihre Proteste haben sicherlich auch damit zu tun, dass viele Aleviten ihren Glauben gerade neu entdecken. Die Aleviten mussten ihren Glauben wegen der Unterdrückung in der Türkei lange als Geheimlehre betreiben. Es galt sogar als Verrat an der Gemeinschaft, mit Fremden über Glaubensinhalte zu sprechen.
Ihr erster Roman, in dem es um Aleviten geht, „Das Verschwinden des Schattens in der Sonne“, erschien 1973. Wie haben Sie recherchiert, wenn die Aleviten damals im Verborgenen lebten?
Ich hatte in den sechziger Jahren ein Dissertationsprojekt, das sich mit einem islamischen Derwisch-Orden, den Bektaschies, beschäftigte. Hadschi Bektas Veli wird als Gründer der religiösen Gemeinschaft der Aleviten verehrt. Ich verbrachte neun Monate an der Universität von Erzerum, einer Stadt im Osten der Türkei. Damals sagten dort viele, es gebe gar keine Aleviten. Tatsächlich gelang es mir nicht, Kontakt zu Aleviten aufzunehmen. Die Doktorarbeit habe ich nie geschrieben, stattdessen verwendete ich mein gesammeltes Material für meinen Roman. In den achtziger Jahren hat mich dann ein junger Alevit kontaktiert, der das Buch gelesen hatte. So lernte ich die Alevitische Gemeinde in Wien kennen und habe später dort für meinen Roman „Die Schrift des Freundes“, in dem eine der Hauptfiguren ebenfalls ein türkischer Alevit ist, recherchiert.
Was fasziniert Sie an der alevitischen Kultur?
Dass in Anatolien eine Kultur existiert hat, die viel aufgeschlossener war als die Gesellschaft in den großen Städten.
Worauf kommt es Ihnen an, wenn Sie Aleviten in Ihren Büchern beschreiben?
Bei mir steht immer der Mensch im Vordergrund. Bei den Aleviten ist das ganz genauso. Im Gegensatz zu den Sunniten verstehen sie den Menschen nicht als Sklaven Gottes, sondern als ein eigenverantwortliches Geschöpf, in dem sich Gott jederzeit manifestieren kann. Die Aleviten kommen mit wenig Dogmatismus aus; sie sind flexibel bei der Gestaltung ihrer Religion. Das finde ich sympathisch. Denn natürlich ist es unmöglich, die Religion in der Diaspora so zu leben, wie die Aleviten es in Anatolien taten.
Ein weiterer Einwand gegen den „Tatort“ bezieht sich darauf, dass eine junge Alevitin sich für das Kopftuch entscheidet, um sich vor sexueller Ausbeutung zu schützen. Das sei „Schleichwerbung für den Islam im Sinne der orthodoxen Muslime“, meint die Alevitische Gemeinde. Ist es überhaupt denkbar, dass sich in der aufgeschlossenen alevitischen Kultur ein Mädchen verschleiert?
Das sind Dinge, die passieren. Bei einer fiktiven Geschichte muss man natürlich vorsichtig mit den Motiven sein, die man als ausschlaggebend dafür nennt. In meinem Roman „Der Sommer, in dem Anna verschwunden war“ entscheidet sich ebenfalls ein alevitisches Mädchen dafür, das Kopftuch zu tragen. Aber sie macht das nicht, weil sie dem orthodoxen Islam anhängt, sondern um gegen ihren sehr weichherzigen Vater zu rebellieren.
Trägt der Streit um den „Tatort“ nicht dazu bei, dass das Thema Sexualität und Gewalt gegen Frauen in türkischen Familien weiter tabuisiert wird?
Das denke ich nicht. Mich stört die Tendenz, dass Themen wie Gewalt und sexueller Missbrauch immer stärker nationalisiert werden. Das sind Dinge, die in allen Gesellschaften vorkommen. Warum musste es ausgerechnet eine alevitische Familie sein, in der der Vater die Tochter vergewaltigt? Im Fernsehen war bisher nie die Rede von Aleviten. Nun auf einmal doch und ausgerechnet mit solch einem Vorwurf. Man muss vorsichtig sein, wenn man dieses Thema auf eine Familie projiziert, die einer Minderheit angehört. Es wird schnell verallgemeinert.
Text: F.A.Z., 04.01.2008, Nr. 3 / Seite 40
Barbara Frischmuth im Gespräch
Die Aleviten sind sehr enttäuscht
Die Alevitische Gemeinde sieht sich von einer „Tatort“-Folge verunglimpft. Barbara Frischmuth hat sich in ihren Romanen mit alevitischen Lebensformen befasst. Im F.A.Z.-Interview spricht die österreichische Autorin über eine faszinierende Kultur, schnelle Vorurteile und überzogene Reaktionen.
Frau Frischmuth, die Alevitische Gemeinde Deutschland wirft dem NDR vor, der Tatort „Wem Ehre gebührt“ leiste dem Vorurteil Vorschub, dass Aleviten eine unislamische, laxe Sexualmoral hätten und Inzest betrieben. Sie selbst haben verschiedene Romane veröffentlicht, die im alevitischen Milieu spielen. Sind Sie bei Ihren Recherchen auf diese Vorurteile gestoßen?
Ja, natürlich. Seitdem die Aleviten im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert das erste Mal als Religionsgemeinschaft in Erscheinung traten, wirft man ihnen vor, die Gesetze von Anstand und Moral nicht zu respektieren. Jeder, der über die Aleviten recherchiert, kann das nachlesen.
Die Aleviten folgten bei ihren Feiern präislamischen Riten, wie sie bei den Nomaden üblich waren. Das heißt, Männer und Frauen feierten gemeinsam und tranken Alkohol. Die Sunniten warfen den Aleviten deshalb vor, regelrechte Orgien zu feiern.
In der orientalischen Gesellschaft war es ungewöhnlich, Frauen nicht auszuschließen.
Natürlich, aber man kann die Freiheiten der alevitischen Frau nicht mit der Freizügigkeit vergleichen, die Frauen damals in westlichen Gesellschaften genossen. Anders als bei den Sunniten hatte die religiöse Gleichberechtigung der Frau immer eine sehr hohe Bedeutung bei den Aleviten. Alevitische Männer wurden immer erst dann zu den religiösen Riten zugelassen, wenn sie verheiratet waren - auch darin drückt sich die Hochachtung gegenüber der Frau aus. Wenn ein Fremder in der anatolischen Abgeschiedenheit um Einlass bat, dann durfte ihn die Frau sogar alleine empfangen. Bis heute gibt es kein Verschleierungsgebot für die Frau und keine Vielehen.
Wurden die Aleviten wegen ihrer angeblich laxen Sexualmoral verfolgt?
Im Osmanischen Reich galten sie als vogelfrei und zogen sich deshalb fast ganz in die Abgeschiedenheit Anatoliens zurück. Die Gerüchte über ihre Sexualmoral waren jedoch nicht der einzige Grund für die Unterdrückung. Man warf ihnen vor, nicht die fünf Säulen des Islams zu respektieren: Aleviten pilgern nicht nach Mekka. Sie sagen: „Wenn man die Kaba nicht im eigenen Herzen findet, dann findet man sie nirgendwo.“ Sie beten nicht fünfmal am Tag und besuchen keine Moschee, sondern treffen sich in sogenannten Cem-Häusern. Aleviten fasten nicht im Monat Ramadan, dafür jedoch zu anderen Zeiten. Auch das islamische Recht, die Scharia, erkennen sie nicht an. Insgesamt sind die Aleviten in ihrem Glauben stärker pietistisch-tanteistisch orientiert als die Sunniten. Das heißt, sie legen mehr Wert auf innere Frömmigkeit als auf öffentliche Bekenntnisse zum Glauben. Aleviten betonen die gleichberechtigte Existenz aller Religionen.
Übertreibt es die Deutsche Alevitische Gemeinde nicht ein wenig mit ihrer Reaktion auf den Film?
Grundsätzlich finde ich solche Reaktionsweisen immer überzogen. Doch offenbar haben die Aleviten das Gefühl, dass der Film alte Vorurteile wiederbeleben könnte, deshalb kann ich ihre Reaktion verstehen. Ich denke, mit dem Protest wollen die Aleviten auch zeigen, dass sie demokratische Mittel nutzen, um ihre Rechte einzufordern. Für viele Aleviten mag jetzt der Moment gekommen sein, sich als Religionsgemeinschaft zu präsentieren. Sie zeigen Vorurteile auf, die in der Türkei noch immer sehr lebendig sind.
Wie ist ihre Situation dort heute?
Sehr ambivalent. Auf der einen Seite interessieren sich vor allem türkische Intellektuelle immer mehr für die alevitische Kultur. Denn das alevitische Religionsmodell ist ein nichtwestliches und hat sich gleichzeitig als viel kompatibler für die Moderne gezeigt als das der Sunniten. Viele Türken entdecken plötzlich ihre alevitischen Wurzeln. Auf der anderen Seite gibt es immer wieder Konflikte mit orthodoxen Muslimen. Die Aleviten sind sehr enttäuscht worden in der Türkei. Man hatte versprochen, sie als Religionsgemeinschaft anzuerkennen. Doch das ist bis heute nicht der Fall. Ihr großer Kummer ist, dass ihre Kinder den normalen muslimischen Schulunterricht besuchen müssen, obwohl sie von den Sunniten als Ketzer behandelt werden und sich die religiösen Inhalte einfach nicht decken.
In vier deutschen Bundesländern wird dagegen im nächsten Schuljahr der alevitische Religionsunterricht eingeführt.
Wahrscheinlich sind die Aleviten auch deshalb so über den Film enttäuscht. Ihre Proteste haben sicherlich auch damit zu tun, dass viele Aleviten ihren Glauben gerade neu entdecken. Die Aleviten mussten ihren Glauben wegen der Unterdrückung in der Türkei lange als Geheimlehre betreiben. Es galt sogar als Verrat an der Gemeinschaft, mit Fremden über Glaubensinhalte zu sprechen.
Ihr erster Roman, in dem es um Aleviten geht, „Das Verschwinden des Schattens in der Sonne“, erschien 1973. Wie haben Sie recherchiert, wenn die Aleviten damals im Verborgenen lebten?
Ich hatte in den sechziger Jahren ein Dissertationsprojekt, das sich mit einem islamischen Derwisch-Orden, den Bektaschies, beschäftigte. Hadschi Bektas Veli wird als Gründer der religiösen Gemeinschaft der Aleviten verehrt. Ich verbrachte neun Monate an der Universität von Erzerum, einer Stadt im Osten der Türkei. Damals sagten dort viele, es gebe gar keine Aleviten. Tatsächlich gelang es mir nicht, Kontakt zu Aleviten aufzunehmen. Die Doktorarbeit habe ich nie geschrieben, stattdessen verwendete ich mein gesammeltes Material für meinen Roman. In den achtziger Jahren hat mich dann ein junger Alevit kontaktiert, der das Buch gelesen hatte. So lernte ich die Alevitische Gemeinde in Wien kennen und habe später dort für meinen Roman „Die Schrift des Freundes“, in dem eine der Hauptfiguren ebenfalls ein türkischer Alevit ist, recherchiert.
Was fasziniert Sie an der alevitischen Kultur?
Dass in Anatolien eine Kultur existiert hat, die viel aufgeschlossener war als die Gesellschaft in den großen Städten.
Worauf kommt es Ihnen an, wenn Sie Aleviten in Ihren Büchern beschreiben?
Bei mir steht immer der Mensch im Vordergrund. Bei den Aleviten ist das ganz genauso. Im Gegensatz zu den Sunniten verstehen sie den Menschen nicht als Sklaven Gottes, sondern als ein eigenverantwortliches Geschöpf, in dem sich Gott jederzeit manifestieren kann. Die Aleviten kommen mit wenig Dogmatismus aus; sie sind flexibel bei der Gestaltung ihrer Religion. Das finde ich sympathisch. Denn natürlich ist es unmöglich, die Religion in der Diaspora so zu leben, wie die Aleviten es in Anatolien taten.
Ein weiterer Einwand gegen den „Tatort“ bezieht sich darauf, dass eine junge Alevitin sich für das Kopftuch entscheidet, um sich vor sexueller Ausbeutung zu schützen. Das sei „Schleichwerbung für den Islam im Sinne der orthodoxen Muslime“, meint die Alevitische Gemeinde. Ist es überhaupt denkbar, dass sich in der aufgeschlossenen alevitischen Kultur ein Mädchen verschleiert?
Das sind Dinge, die passieren. Bei einer fiktiven Geschichte muss man natürlich vorsichtig mit den Motiven sein, die man als ausschlaggebend dafür nennt. In meinem Roman „Der Sommer, in dem Anna verschwunden war“ entscheidet sich ebenfalls ein alevitisches Mädchen dafür, das Kopftuch zu tragen. Aber sie macht das nicht, weil sie dem orthodoxen Islam anhängt, sondern um gegen ihren sehr weichherzigen Vater zu rebellieren.
Trägt der Streit um den „Tatort“ nicht dazu bei, dass das Thema Sexualität und Gewalt gegen Frauen in türkischen Familien weiter tabuisiert wird?
Das denke ich nicht. Mich stört die Tendenz, dass Themen wie Gewalt und sexueller Missbrauch immer stärker nationalisiert werden. Das sind Dinge, die in allen Gesellschaften vorkommen. Warum musste es ausgerechnet eine alevitische Familie sein, in der der Vater die Tochter vergewaltigt? Im Fernsehen war bisher nie die Rede von Aleviten. Nun auf einmal doch und ausgerechnet mit solch einem Vorwurf. Man muss vorsichtig sein, wenn man dieses Thema auf eine Familie projiziert, die einer Minderheit angehört. Es wird schnell verallgemeinert.
Ich würde die Diskussion gerne in 2 seperate Teilbereiche aufgliedern.
1) Mit welchen Maßnahmen kann / sollte der Staat bzw. die Gesellschaft die Erziehung und Ausbildung von Kindern übernehmen, um einen entsprechenden Bildungs- und Sozialisierunggrad bei allen sicherzustellen. In wie weit sind wir dafür bereit, öffentlichen Einrichtungen ( sowohl stattlicher als auch privater Natur) Einblicke in die Privatspähre der eigenen Familie zu gewähren? Wo soll man die Grenze ziehen und sagen dies ist legitim in der Erziehung und die Entscheidungfreiheit der Eltern, oder dies können wir im Sinne einer freiheitlichen aufgeklärten Gesellschaft nicht zulassen.
2) Welchen Umgang, welche Maßnahmen, welche Schritte sollen und müßen unternommen werden, um bereits straffällige gewordene Menschen bzw. hier aktuell Jugendliche, wieder auf den "rechten Weg" (rechten im Sinne von Recht und Ordnung und nicht politisch gemeint) zu bringen. In wie weit helfen "abschreckende Strafen", in wie weit funktionieren Resozialisierungsmaßnahmen. Ist Abschiebung ein sinnvolle Maßnahme im Sinne der Abschreckung?
1) Mit welchen Maßnahmen kann / sollte der Staat bzw. die Gesellschaft die Erziehung und Ausbildung von Kindern übernehmen, um einen entsprechenden Bildungs- und Sozialisierunggrad bei allen sicherzustellen. In wie weit sind wir dafür bereit, öffentlichen Einrichtungen ( sowohl stattlicher als auch privater Natur) Einblicke in die Privatspähre der eigenen Familie zu gewähren? Wo soll man die Grenze ziehen und sagen dies ist legitim in der Erziehung und die Entscheidungfreiheit der Eltern, oder dies können wir im Sinne einer freiheitlichen aufgeklärten Gesellschaft nicht zulassen.
2) Welchen Umgang, welche Maßnahmen, welche Schritte sollen und müßen unternommen werden, um bereits straffällige gewordene Menschen bzw. hier aktuell Jugendliche, wieder auf den "rechten Weg" (rechten im Sinne von Recht und Ordnung und nicht politisch gemeint) zu bringen. In wie weit helfen "abschreckende Strafen", in wie weit funktionieren Resozialisierungsmaßnahmen. Ist Abschiebung ein sinnvolle Maßnahme im Sinne der Abschreckung?
XL311 schrieb:NDA schrieb:
Er hatte bei uns einfach nicht mehr die Unterstützung die er brauchte und das ist
Bei den Fans kann er sich nicht beschweren..
Mußt schon richtig zitieren, um den Sinn der Aussage nicht zu verändern.
Eventuell war es dir nicht bewußt, aber die Buchstabenkombination NadW steht für
Nichts als die Wahrheit. ( Überschrift über einen hier recht bekannten Artikel eines gewissen JermainJuniorJones)
robertz schrieb:
um die diskussion hier mal etwas zu versachlichen:
wer von euch nasen glaubt, dass rolle koch, der brutalstmögliche aufklärer, seine omma für einen wahlsieg nicht verkaufen würde?
und wann postet hier endlich einer mal, dass unser landesvater, uneigennützig wie er nun mal ist, die eintracht schon einmal vor dem absturz in die bedeutungslosigkeit bewahrt hat?
1) Das würde er ohne ein Sekunde zu zögern, sonst wäre er nicht da, wo er heute steht, genau wie jeder andere "Spitzenpolitiker".
2) Läßt sich leider nicht bestreiten, traurig das es jemals soweit gekommen ist, dass wir uns von einem Politiker helfen lassen mußten.
edmund schrieb:NDA schrieb:
Wofür braucht man dann die Gewerkschaften noch?? Und das Frage ich, als Mitglied einer solchen. Arbeitsschutz ist gesetzlich geregelt, Arbeitsnehmerrechte auch, Löhne sollen jetzt noch folgen. Mindeslöhne sind der Anfang vom Ende der Gewerkschaften. Denn es ist das Ende der Tarifautonomie.
Wir brauchen Gewerkschaften, damit die von dir genannten Errungenschaften erhalten und ggf. demokratisch erweitert werden.
Mindestlohnregelungen stellen m.E. eher den Anfang als das Ende der Tarifautonomie dar. Das sehen mittlerweile auch viele Arbeitgeber so, die gar keinen Wettbewerbsvorteil erlangen, wenn die Löhne tendenziell nach unten gehen.
Beispiel Frankreich: Da gibt es seit Ewigkeiten den smic (ca. 1500 €), und es gibt nach wie vor starkes arbeitnehmerrechtliches Engagement in der Bevölkerung. Das ist eben der rheinische, der europäische Versuch, den Kapitalismus bis zur Unkenntlichkeit zu zivilisieren.
Ich rege mich auch über meine Gewerkschaft auf, aber ohne sie würde mir bange.
EG, E
Um mal einige Interesannte Seiten zum Thema dazustellen:
http://www.dgb.de/themen/tarifpolitik/mindestlohn/mindestlohn_fragen/index_html
http://www.ngo-online.de/ganze_nachricht.php?Nr=15495
http://www.focus.de/jobs/branchen/baubranche_aid_133699.html
http://www.dihk.de/inhalt/informationen/news/meldungen/meldung009447.html
http://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland/Mindestlohn-Tarif-Post;art122,2384549
http://www.faz.net/s/Rub0E9EEF84AC1E4A389A8DC6C23161FE44/Doc~EF812D22E4386448FBF882FF237A35941~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Ich denke das sollte erst einmal reichen, um die Ansichtsweisen von beiden Seiten dazustellen. Ich werde nachher mal schauen, ob ich Zahlen und "Expertenmeinungen" über den franz. Arbeitsmarkt finden kann, um die eine bzw. die andere Seite zu belegen.
Herbi.G55 schrieb:Bigbamboo schrieb:Herbi.G55 schrieb:JaNik schrieb:NDA schrieb:
Heute startet sie ein Unterschriftenaktion gegen die Gewerkschaften und die Marktwirtschft.
Da hab ich mich wohl bei dem 10 Meter langem Banner von der DGB verlesen auf dem steht "Mindestlohn jetzt! Kein Lohn unter 7,50€", das hier in Darmstadt schon seit knapp einem Jahr auf der Rheinstraße am DGB-Haus hängt. Sowas. Vielleicht sollte ich mich doch erstmal informieren.
Genau! Der Mindestlohn wird schon lange von den Gewerkschaften gefordert.
Und die Gewerkschaft wird diese Aktion auch unterstützen.
Die SPD wird sich im Wahlkampf nicht gegen die Gewerkschaften richten.
Meinst Du echt?
Na klar!
Wofür braucht man dann die Gewerkschaften noch?? Und das Frage ich, als Mitglied einer solchen. Arbeitsschutz ist gesetzlich geregelt, Arbeitsnehmerrechte auch, Löhne sollen jetzt noch folgen. Mindeslöhne sind der Anfang vom Ende der Gewerkschaften. Denn es ist das Ende der Tarifautonomie.
lutz1965 schrieb:NDA schrieb:lutz1965 schrieb:
dann kann man heute ja gleich zur härteren Variante übergehen, Koch wird es schon richten, brutalstmöglich!
Willst du damit sagen, dass Roland Koch die Endlösung gefunden hat?
er scheint sie zu suchen...
Gut dann empfehle ich Kuba oder Nordkorea als Ziele.
Landschaftlich wunderschön, stabilie Regierungen, meistens angenehme Temperaturen, gastfreundlich.
Eigentlich müßte ich schon lange tot sein.