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Fanhistorie XLIII: "Wir Fans in den 70ern, der gute alte G-Block"

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Ich habe mal versucht zusammen zu schreiben was damals im G-Block so alles passiert ist. Ich bin aber kein guter Schreiber, trotzdem habe ich mich mal versucht, denn einige interessiert es ja doch was damals so los war.

Wir Fans in den 70ern, der gute alte G-Block

Ja früher war alles besser behaupten manche, aber soviel anders war es teilweise gar nicht. Damals gab es noch das alte Waldstadion welches Anfang der 70er einen Umbau für die WM 1974 erlebte, damals supportete man vom G-Block aus, von dort kam die Stimmung. Damals wurde der Grundstein gelegt für die heutige Fankultur, damals erkämpfte man sich die Freiräume beim Fußball, die man heute immer weiter versucht einzuschränken.

Was aber passierte genau im G-Block? Es gab noch keinen Anheizer mit Megaphon, die wenigen Lieder und Schlachtrufe stimmten meist einzelne Fanclubs oder Leute mit lauter Stimme an, der Rest machte dann einfach mit. Manchmal konnte es passieren das aus mehreren Ecken verschiedene Sachen angestimmt wurden, da setzte sich dann meist die Gruppe durch die am lautesten war. Die Stimmung war damals aber auch sehr gut, kam aber leider im Stadion nie gut rüber da die Kurve zum einen nicht überdacht war und auch die weite Entfernung zum Spielfeld ihr übriges tat. Was es damals noch nicht so gab wie heute, es wurden keine kompletten Lieder gesungen, es waren meist mehr Schlachtrufe. Teilweise waren die sehr derbe und heute würde man bestimmte Rufe nicht mehr tätigen, da sie manchmal Anspielungen auf Sachen aus dem Dritten Reich enthielten wie der Spruch „Gib Gas......“ der gegen die Kackers ging, Sprüche solcher Art kennen wir heute nur noch von den Derbys und da kommen sie von den Kackersfans.

Es entstanden die ersten Fanclubs, einige bestimmten das Bild des G-Blocks, wie z.B. die größeren Fanclubs Sossenheim, Nied, United, Black&White oder der Rote Club. Dann gab es zahllose Stadtteilgruppen die sich noch namenlos im G-Block tummelten. Die größeren Fanclubs bestimmten auch teilweise was im G-Block gemacht oder unterlassen wurde, das konnte dann schon mal zu kleineren Reibereien führen.

Damals fing auch die Zeit der Kutten an, das lief gleichzeitig mit dem Auftauchen der ersten Rocker in Deutschland. Man schaute sich das dort ein wenig ab, man wollte auch etwas härter wirken und gleichzeitig seine Liebe zum Verein ausdrücken und zog sich beim Fußball eine Kutte an, was damals allerdings noch anderes war wie heute, heute sind Kutten nicht mehr so verbreitet. Was war eine Kutte, das war meist eine Jeansweste mit einem großen Aufnäher auf dem Rücken und vielen kleinen Aufnähern und manchmal ein paar Nieten oder Fransen außen rum. Viele der normalen Zuschauer und auch die Eltern daheim hatten dafür wenig Verständnis, sie betitelten uns als Asis, Halbstarke oder wüste Schläger, es gab sprichwörtlich einen Graben zwischen G-Block und den Tribünenhockern. Sicher gab es auch den ein oder anderen der einer Schlägerei nicht aus dem Wege ging, aber das galt natürlich nicht für alle, es war die Minderheit im G-Block. So bildete der G-Block einen bunten Haufen der verschiedesten Fans, nur Spießer mieden diesen Block. Es gab auch noch den Kutten-, Fahnen- oder Schaldiebstahl, man zog dem gegnerischen Fan diese Fanutensilien aus und nahm es als Trophäe mit nach Hause oder verbrannte es während des Spiels im G-Block, was allerdings von der Polizei nicht so gerne gesehen wurde.

Es gab damals auch sehr große Fahnen, so wie heute, allerdings waren die aus schwerem Stoff und die Fahnenstangen bestanden oft aus massiven Eisenrohren die zusammen geschraubt wurden. Weil es auch mal passierte das es Auseinandersetzungen gab und dabei diese Fahnenstangen zum Einsatz kamen, wurden die Großfahnen nach schweren Ausschreitungen vor der Haupttribüne bei dem Spiel gegen Hertha BSC in der Saison 1976/77 im Stadion verboten. Da damals aber die Kontrollen im Stadion noch nicht so gut waren wurden die Fahnen über den Zaun gereicht und dann in den Block gebracht, waren sie erst mal drinnen holte sie auch keiner mehr raus, damals neigte die Polizei noch nicht dazu sinnlos den Block zu stürmen. Nach erneuten Ausschreitungen vor der Haupttribüne in der Saison 1980/81 beim Spiel gegen Hamburg griff man dann härter durch und die Großfahnen bekam man nicht mehr ins Stadion, heute braucht man für größere Fahnen einen Fahnenpaß.

Es gab auch schon so was wie Pyro, welche auch damals schon, bis auf die Wunderkerzen, verboten war. Es wurden Wunderkerzen angezündet, Kracher und Heuler gezündet und Leuchtkugeln in die Luft geschossen. Leider gab es immer wieder Leute die meinten die Wunderkerzen oder Kracher nach unten schmeißen zu müssen und diese trafen nicht selten andere auf den Jacken die dort Löcher hinein brannten, das gab dann manches mal böses Blut und es wurden einige Leute, manchmal rüde, zurecht gewiesen.

Irgendwann Mitte/Ende der 70er begann dann die Polizei den Block zu überwachen, was einigen überhaupt nicht gefiel, allerdings kann man die Überwachung von damals mit dem was heute passiert als lächerlich bezeichnen, aber damals wurden die Anfänge gemacht. Oben im G-Block baute die Polizei einen Podest auf um den Block besser überblicken zu können und unten auf der Laufbahn postierten sich zwei Beamte mit einer Videokamera und einem Fotoapparat. Das führte dann auch zu den ersten kleinen Protesten die sich in diversen Protestrufen äußerten wie „Samstags frei für die Polizei“, „Wir wollen keine Bullenschw....“ oder es wurde das Liedchen „Fahr mit im giftgrünen Bullenbus“ gesungen.

Es gab auch Aktionen, heute würde man das eine Art Choreo nennen, da wurden Spruchbänder angebracht, teils aus Protest, aber auch wenn etwas anstand wie z.B. der UEFA-Cup-Sieg, als schon vor dem Spiel ein großes Spruchbanner „Eintracht Frankfurt UEFA-Cup Sieger 1980“ angebracht war welches unten am Zaun über die ganze Kurve reichte. Auch kam nach der WM 1978 in Argentinien das Schnipsel schmeißen auf, da kamen die Leute zu jedem Spiel müllsäckeweise mit Schnipseln ins Stadion die dann beim Einlauf der Mannschaften hochgeschmissen wurden. Das ergab immer ein tolles Bild des G-Blockes und nirgends in Deutschland wurde das so intensiv betrieben wie in Frankfurt. Mich würde mal interessieren wie viel Kilo Müll die bei jedem Spiel aus dem G-Block gekehrt haben. Es gab damals auch Aktionen die heute unvorstellbar sind, so rannten vor dem Spiel ein paar Fans mit einer Fahne auf den Platz, legten die Fahne in den Innenkreis des Anstoßpunktes, gingen außen rum auf die Knie und beteten die Fahne an in dem man mit dem Oberkörper in Richtung Fahne nach unten beugte und die Arme dabei ausgestreckt hatte. Auch heute unvorstellbar, eine Zeit lang wurde auch gerne gemacht, das Leute über den Zaun stiegen, unter dem Gejohle des G-Blocks quer über das Spielfeld liefen und woanders wieder über den Zaun in die Blöcke entwischten, da die Ordner oft älteren Semesters waren kamen diese nicht hinterher, aber auch wenn jemand mal erwischt wurde passierte ihm nicht viel. Es gab auch schon mal Protestaktionen bei denen der G-Block komplett leer blieb und dort nur ein paar Spruchbänder hingen, dadurch war dann keinerlei Stimmung im Stadion, aber das war äußerst selten.

Ich habe bestimmt was vergessen, aber das können ja andere ergänzen die sich noch an die eine oder andere Begebenheit erinnern. Ich hoffe für Fans die das nicht kennen gelernt haben, das sie jetzt ein bischen Bescheid wissen was damals so los war.

Bilder dazu findet man auf der Seite des Fanprojektes:
http://www.frankfurter-fanprojekt.de/portal/component/option,com_ponygallery/Itemid,16/func,detail/id,151/

Zu empfehlen ist auch dieses Buch was die Fanszene der 70er und 80er beschreibt, welches es leider nicht mehr gibt, aber mit etwas Glück kann man es über Ebay oder Amazon erwerben:
http://eintracht-archiv.de/buecher/fans-kurve.html
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NEINNN....Der Propain nimmt mir "mein" Thema weg...
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Echt? Aber dann kannst du das er wunderbar ergänzen.
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propain schrieb:
Echt? Aber dann kannst du das er wunderbar ergänzen.


Genau das werde ich auch tun...ich brauch nur leider noch ein paar Stunden. Habe noch ein paar andere Dinge zu tun, und muß noch ein paar Bilder zusammenstellen. Und die Frau wird nervös wechem "Friehstick"...

Ich bin dir sehr dankbar, das du schon mal so eine schöne Vorlage gebracht hast!  
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Ich bin zwar noch lange nicht so alt wie Ihr  , aber in meiner Anfangszeit habe ich noch einiges davon mitbekommen. Meine Kutte hängt übrigens noch in meinem Schlafzimmerschrank, nur passe ich nicht mehr rein.  ,-)

F_F




PS: Dafür, dass Du nicht schreiben kannst, ist es Dir aber gut gelungen.
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Auch zu erwähnen gibt es, das es in den 80´er Jahren einen Anfeuerer (wie Martin Stein) gab. Er wurde immer Seemann gerufen, wegen seiner Seemannskappe. Er hatte die Kurve sehr gut im Griff. Als er Mitte der 80´er ging, litt die Stimmung extrem, da alles unkordiniert angestimmt wurde. Ich möchte mal wissen, ob der sich hier im Forum aufhält?
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Hat der Seemann eigentlich schon in den 70´ern angefeuert???
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Moin Propain,
zunächst mal ein dickes daZke, von wegen du kannst nicht schreiben...

Die G-Block Zeiten waren auch für mich absolut prägend.

Wie stolz waren wir, wenn wir es als 10-12 jährige, auch ohne die passenden Eintrittskarten in den G-Block geschafft haben und wir mit den Großen, die eine Kutte getragen haben, mitanfeuern durften (Support gab es damals noch nicht ).
Ich war, bis wir als ich in die 7.Klasse gekommen bin und wir aus Ffm weggezogen sind immer mit Kumpels aus der Musterschule bzw. aus Eckenheim unterwegs.

Die "Großen" im G-Block waren damals auch so eine Art Idole.
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Gude propain.

Ohje, ohje, der G-Block.

Ich habe ihn allerdings erst 20 Jahre später, Mitte der 90ziger kennengelernt. Für ne ordentliche Kutte mit großem runden G-Block-Aufnäher hat's aber noch gelangt. Bin mir nicht ganz sicher, entweder die ersten beiden Dauerkarten oder die ersten 3 waren noch im G-Block.
Damals bin ich auch noch mit einem Kumpel aus Schriesheim (bei Heidelberg) vollbehängt mit Schals und einer riesen Bassdrum (ja, vom Schlagzeug) Richtung Frankfurt gepilgert. Dazu sind wir erstmal mit der Straßenbahn 20 Minuten nach Weinheim gefahren und von dort aus ab mit der DB nach Frankfurt. Manchmal hat uns aber auch die Mama nach Weinheim gefahren . Wir waren damals wohl so 14 oder 15 Jahre alt und ich kann mich noch erinnern, wie sich meine Mutter immer geschämt hat, wenn ich in voller Montur, teilweise singend, durch den Ort zur Straßenbahn geschlappt bin. Das Verhältnis zu meiner Mutter hat sich inzwischen glücklicherweise wieder gebessert
Ansonsten erinnere ich mich noch, dass wir 2 irgendwann die ersten im gesamten Stadion waren. Keine Ahnung warum und keine Ahnung, gegen wen das war. Wir sind die Treppen zum Block hochgestiegen und der Blick runter hatte schon etwas erhabenes. Das ganze Stadion, nur für uns alleine. Damals fanden wir das irgendwie toll.
Das andere, woran ich mich erinnere, wenn ich an den G-Block denke, sind die Rauchbomben, die einem in regelmäßigen Abständen die Tränen in die Augen getrieben haben. "Bombenleger, Bombenleger, hey, hey!". Und natürlich die kleine Ausblickplatform der cops oben rechts. Zu meiner Zeit war übrigens: "Grün-weiß-Wiesbaden schalalalalaaa" total angesagt. Schwer hatten es auch die teilweise ziemlich hübschen Polizistinnen, die ihren Dienst im G-Block verrichten mussten. Leider fallen mir die Gesänge dazu gerade nicht mehr ein.

Wie auch immer. Macht ihr alten Säcke mal ruhig weiter mit euren 70ziger Jahre  G-Block-Geschichten. Da kann ich nämlich leider nicht mitreden, damals bin ich noch fröhlich Aufzug im Rückenmark meines Vaters gefahren. Lesen tue ich sie aber trotzdem sehr gerne. Also Miep, runner mim Müsli, ab an die Tastatur.

Gruß
der Kleene
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Ich bitte darum, den Fred in die Fanhistorie - Serie einzubeziehen, entsprechend umzubennen, und ins Eintracht-Forum zu verschieben. Propain, ich denke das ist auch in deinem Sinne... ,-)
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bernie schrieb:


1. Die G-Block Zeiten waren auch für mich absolut prägend.

2. Die "Großen" im G-Block waren damals auch so eine Art Idole.



Zu 1.: Für mich auch...

Zu 2.: Ja, ich weiß...

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miep0202 schrieb:
bernie schrieb:


1. Die G-Block Zeiten waren auch für mich absolut prägend.

2. Die "Großen" im G-Block waren damals auch so eine Art Idole.



Zu 1.: Für mich auch...

Zu 2.: Ja, ich weiß...





Ich werde dich vor dem Cottbusspiel am GD unterwürfig Begrüssen, mein Idol..
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Dazke, propain! Klasse!

miep0202 schrieb:
Ich bitte darum, den Fred in die Fanhistorie - Serie einzubeziehen, entsprechend umzubennen, und ins Eintracht-Forum zu verschieben. Propain, ich denke das ist auch in deinem Sinne... ,-)  

Und: Dazke an unsere Mods für die unauffälligen und schnellen Reaktionen bei den Fanhistorien.
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Danke Propain, ganz genau so war´s. Von wegen "Du kannst nicht schreiben".
Super gemacht, autenthisch und lebendig, ich war gleich wieder mittendrin.

Gruß
concordia-eagle
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@propain

Hast Du Klasse hinbekommen!

Bei mir wurden viele Erinnerungen wach! Ich stand auch ab Anfang der 80er Jahre immer im G-Block. Die Stimmung war wohl Mitte der 80er am besten, als Branco Zebec besoffen von der Bank fiel und Dietrich Weise unsere junge Mannschaft übernahm und das Publikum damals geschlossen hinter der jungen Mannschaft (Falkenmeyer, Berthold, Sievers, Gundlach ....) stand!

Da wurd auch mal, wenn es geschüttet hat wie verrückt gesungen Tribüne auf, was in seltenen Fällen auch mal gemacht wurde!

Bin schon mal gespannt und freu mich drauf, was hier von den "Alten" noch alles zum Besten gegeben wird.
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Toll propain.

Vergessen hast Du immo das Schmeißen mit Toilettenpapierrollen.
Es gab auf keiner Toilette (zumindest bei den Damen   ) je Papier, da alle Rollen aufs Spielfeld geworfen wurden.
Zu diesem Zweck wurden wohl auch so manche elterlichen Bestände zweckentfremdet.      

Und, was mich interessieren würde, kommt einer von Euch "alten Säcken" in "Die Fans aus der Kurve" vor, außer Adi in seiner unrühmlichen Rolle?
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miep0202 schrieb:
NEINNN....Der Propain nimmt mir "mein" Thema weg...  



Für uns , lieber miep, sind die Themen vor Kriegsende vorbehalten.
Schee Propain  
Ich geh mal meine Uhren umstelle,man kommt hier  zu nix mehr.
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Petermann schrieb:

Ich geh mal meine Uhren umstelle,man kommt hier  zu nix mehr.


Jupp, bist du es?

Sry, das war unter der Gürtellinie, hast was gut bei mir
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Am Anfang hatte der G-Block etwas mystisches, unerreichbares für mich.

Nachdem ich ohne Babba, dafür mit Freunden ins Waldstadion durfte (81/82), kauften wir uns meist Karten für den Nebenblock (ich glaub H oder I.). Vor dem jeweiligen Spiel standen wir immer mit einer Mischung aus Ehrfurcht, Neugier und Angst vor den rostigen Eingangsgattern des „G“ und haben diesen elend lange Treppe hochgestarrt. Nach ca. einem halben Jahr haben wir uns dann auch getraut, voller Aufregung eine G-Blockkarte gekauft, und sind selbst diese Stufen laaaangsam hochgeschritten (nicht wegen der Kondition). Oben angekommen, erst mal den Blick genossen, dann wieder Schiss bekommen (wo stellen wir und nur hin, wollen wir nicht doch in den H?), aber dann einfach rein ins Getümmel und gut.

Danach war der G-Block einfach der G-Block für mich.

Aber als dann, ich war längst meinem Arsche zuliebe Gegentribünensitzer, die Bagger und Abrissbirnen kamen,  wurden die Augen feucht.

Seit dem hat der G-Block wieder was mystisches unerreichbares für mich....

Tolle Beschreibung @propain (und all die andern Hisoriker!)
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...Es gab damals auch Aktionen die heute unvorstellbar sind, so rannten vor dem Spiel ein paar Fans mit einer Fahne auf den Platz, legten die Fahne in den Innenkreis des Anstoßpunktes, gingen außen rum auf die Knie und beteten die Fahne an in dem man mit dem Oberkörper in Richtung Fahne nach unten beugte und die Arme dabei ausgestreckt hatte....

Das macht meine Erlebnisse aus den frühen 90'ern wieder derart lebendig das mir nur eines bleibt - Danke zu sagen für diese tollen Texte!  

Weiter so...


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