>

Litera-Lättchen

#
WuerzburgerAdler schrieb:
Snuffle82 schrieb:
HeinzGründel schrieb:

Sehr schön ist auch dieser " Klassiker"

von Herbert Rosendorfer

Briefe in die chinesische Vergangenheit

http://www.amazon.de/Briefe-die-chinesische-Vergangenheit-Roman/dp/3423105410/ref=sr_1_3/303-9613849-2958640?ie=UTF8&s=books&qid=1177703225&sr=1-3

Kurzbeschreibung
Ein Mandarin aus dem China des 10. Jahrhunderts versetzt sich mit Hilfe eines »Zeit-Reise-Kompasses« in die heutige Zeit. Er überspringt nicht nur tausend Jahre, sondern landet auch in einem völlig anderen Kulturkreis: in einer modernen Großstadt, deren Name in seinen Ohren wie Min-chen klingt und die in Ba Yan liegt.
Verwirrt und wißbegierig stürzt sich Kao-tai in ein Abenteuer, von dem er nicht weiß, wie es ausgehen wird. In Briefen an seinen Freund im Reich der Mitte schildert er seine Erlebnisse und Eindrücke, erzählt vom seltsamen Leben der »Großnasen«, von ihren kulturellen und technischen Errungenschaften und versucht Beobachtungen und Vorgänge zu interpretieren, die ihm selbst zunächst unverständlich sind

Das Buch ist weitaus witziger als es die Kurzbeschreibung vermuten läßt.


Das grabe ich mal eben aus, weil ich es letztens zum zweiten Mal gelesen habe und wieder herzhaft lachen musste. Hatte seinerzeit auch ein bißchen was dazu geschrieben:

Briefe in die chinesische Vergangenheit von Herbert Rosendorfer ist bereits 1983 geschrieben worden und über einen Zufallstipp in meinen Händen gelandet ...

Einfach herrlich! Irgendwie habe ich in der letzten Zeit ein gutes Händchen in Sachen Bücher - ich habe schon ewig kein schlechtes Buch mehr erwischt und auch diesmal bin ich begeistert!

Es geht um einen Mandarin, der durch eine mathematische Zeitmaschine 1000 Jahre in die Zukunft reist und in unseren 1980ern landet - nicht wie gewollt in der kaiserlichen Hauptstadt, sondern in Min-chen. Hier lernt er unsere heutige Welt kennen, sowohl auf negative, als auch auf positive Weise. Es sind viele viele witzige Szenen dabei, die man sich einfach bildlich vorstellen muss - ich habe mich sehr sehr oft fast auf den Boden geschmissen vor Lachen. Besonders klasse sind die Versuche von Kao-tai, deutsche Begriffe zu übertragen: Atao-Wagen, Wan-tswa-xu-fa und Sho-peng-kao sind an an dieser Stelle nur Bsp. ... Nebenbei kippt sich der zeitreisende Protagonist einen Mo-te shang-dong nach dem anderen hinter die Birne und er lernt We-to-feng zu lieben. Einfach zum Brüllen komisch. Aus unserer heutigen Sicht verhält sich Kao-tai natürlich oft ziemlich dämlich oder kommt einem sehr unbeholfen vor, aber was soll man auch von jemandem erwarten, der eigentlich in einer Zeit 1000 Jahre vor unserer heutigen lebt und dann auch noch aus dem alten China kommt?! Es bringt auch eine gewisse Spannung mit sich, sich in ihn und in seine Situation hineinzuversetzen.

Im Buch ist jede Menge Gesellschaftskritik enthalten - Rosendorfer beleuchtet mit Hilfe Kao-tais und mit viel viel Witz und Charme die Probleme unserer heutigen Welt. Vieles regt zum Nachdenken an, auch wenn einem beim Lesen teilweise die Tränen vor lauter Lachen kommen ...

Von den Erlebnissen selbst möchte ich hier lieber nichts schreiben, einfach selbst lesen!!!

Fazit: Wahnsinnig witzig, dennoch spannend, sehr viel offensichtliche doch nicht plump in den Vordergrund gestellte Gesellschaftskritik. Wiedermal vergebe ich das Prädikat: Absolut lesenswert!


Da schließe ich mich euch beiden mal von ganzem Herzen an.  

Dieses sowie das "Messingherz" hat mich auf alle Zeiten zu einem treuen Rosendorfer-Fan gemacht, der lächelnd und großzügig auch mal über ein, zwei schwächere Bücher von ihm hinwegsehen lässt.    


mein lieblingsbuch von rosendorfer ist "die nacht der amazonen". aber ich bin mir sicher, dass du es schon kennst.
#
peter schrieb:
mein lieblingsbuch von rosendorfer ist "die nacht der amazonen". aber ich bin mir sicher, dass du es schon kennst.


Ja. Und es hat mir auch sehr gefallen.

Wobei ich anmerken muss, dass Rosendorfer die Atmosphäre von München, einer Stadt, die ich sehr gut kenne, in allen Facetten und in allen Zeiten (hier: Vorkriegszeit) so trefflich einfangen kann, dass es eine Pracht ist.
#
Murakami ist ein König.
Das kann gar nicht oft genug gesagt und geschrieben werden.
Fakt!  

Ich lese gerade Populärmusik aus Vittula, ein Roman eines Schweden mit dem finnischen Namen Mikeal Niemi.
Sehr schräg, sehr unterhaltsam, sehr lebendig.
#
erwin stein schrieb:
Mist.
Ich hab doch "Der Schrecksenmeister" noch nicht mal gelesen... :neutral-face  


Ist ja noch Zeit bis Oktober!
#
reggaetyp schrieb:

Ich lese gerade Populärmusik aus Vittula, ein Roman eines Schweden mit dem finnischen Namen Mikeal Niemi.
Sehr schräg, sehr unterhaltsam, sehr lebendig.


Ein großartiges Buch!
#
WuerzburgerAdler schrieb:

Ein Buch, bei dem mir mein Bauch sagt, dass es genau, aber haargenau für den Herrn adlerkadabra geschrieben wurde:

Thomas Glavinic: Das bin doch ich


Bei diesen Endungen auf "-ic" zuckt mein Cursor quasi selbsttätig Richtung "Wunschkonzert" - der traum-kreativ-offensive Mittelfeldmann mit tödlichen Nolukaussenristpässen, hungrig und adlerverschworen, ist er endlich da?

Na gut, dann nehm ich halt solang den Glavinic. Gekauft. Danke für den Tip  
#
Ein Werk ganz besonderer Art ist mir mehr durch Zufall in die Hände gefallen. Einmal angefangen konnte ich nicht mehr aufhören, bis ich es ganz zu Ende gelesen hatte.
Es ist aus dem Müller Verlag und heißt: Das Örtliche.

816 Seiten, broschiert, vierfarbig, Griffregister.

Schon der Titel ist ein kleines Meisterwerk. Schlicht, und doch bereits mit der geheimnisvollen Spannung behaftet, die dem gesamten Buch innewohnt.

Der Inhalt ist schnell erzählt: in alphabetischer Reihenfolge werden die aktuellen Telefonnummern, Adressen und Angebote aller Einwohner, Unternehmen und Institutionen aus einer bestimmten, nicht näher klassifizierten und deshalb vermutlich fiktiven Region zusammengestellt.

Schon der Prolog lässt dem geneigten Leser das Blut in den Adern gefrieren: "Notfälle", "Hilfe und Beratung" sowie eine "Übersichtskarte des Geltungsbereiches" und ein "Ortsverzeichnis der Postleitzahlen" heißen die ersten Rubriken des voluminösen Bandes, und damit ist nicht zuviel versprochen.

Ein "Straßenverzeichnis" schließt sich an, doch kaum glaubt der Leser, damit in ruhigerem Fahrwasser zu schwimmen, wird er von dem darauf folgenden "Behördenwegweiser" jäh an die Grenzen des menschlich ertragbaren geführt.

Der "Abschleppdienst Günther Schmitt" eröffnet nun - freilich als getarnte Werbeanzeige - ein Stakkato literarischer Raserei. "Aaken van, Stephan" erscheint, nimmt von dem geschockten Leser Besitz und lässt ihn fürderhin nicht mehr los.

Die Thematik, die der - unbekannte - Autor in seinem Werk aufwirft, ist bedrückend, gleichwohl - so traurig es ist - hochaktuell: in der grauen Masse der "Baldauf, Christa, Frisörladen", der "Kleinheisterkamp, Regina", der "Stadelmayer Jürgen u. Doris" und der "Weckesser Kerstin" wird der Finger gelegt auf gesellschaftliche Verwerfungen, menschliche Abgründe, Tragödien unendlicher Tragweite.

In seiner lakonischen Banalität schockiert das Werk mit stoischem Gleichmut. Die unüberhörbare Sozialkritik, die der Autor geschickt in die fesselnde Handlung verwoben hat, lässt sich trefflich anhand einer Textstelle belegen: "Kinder- und Jugendmedizin, Prehn M. Dr. 90 08 45."

Das ist nicht nur fein beobachtet, das ist entlarvend. Und so fährt der Autor fort, Mosaikstein für Mosaikstein den gesamten Geltungsbereich seziererisch in kleinste Mikroparzellen zu zerlegen, um diese dann in einem furiosen Finale zu einem überraschenden Gesamtwerk zusammenzufügen: "Zyryanova Erwin, Auf der Schanz 9, 20 52 89 12".

Erschöpft, nein, wie gelähmt lässt der Leser das Werk sinken. Die schonungslose Offenheit, die Klarheit der niemals reißerischen Sprache, die atemlose Spannung, die Vielschichtigkeit der geschilderten Figuren, die hochaktuellen Themen, all das lässt dieses Buch zu einem Werk werden, das nicht nur grenzenloses Lesevergnügen bereitet und knisternde Hochspannung erzeugt, sondern den Leser auch sehr nachdenklich zurücklässt.

Mein Fazit: wer dieses Buch einmal in seine Hände nimmt, wird es nicht mehr weglegen, bis auch der letzte Name gefallen, das letzte Geheimnis gelüftet und die letzte Nummer entschlüsselt ist.

Sehr empfehlenswert!
#
WuerzburgerAdler schrieb:
Ein Werk ganz besonderer Art ist mir mehr durch Zufall in die Hände gefallen. Einmal angefangen konnte ich nicht mehr aufhören, bis ich es ganz zu Ende gelesen hatte.
Es ist aus dem Müller Verlag und heißt: Das Örtliche.

816 Seiten, broschiert, vierfarbig, Griffregister.

Schon der Titel ist ein kleines Meisterwerk. Schlicht, und doch bereits mit der geheimnisvollen Spannung behaftet, die dem gesamten Buch innewohnt.

Der Inhalt ist schnell erzählt: in alphabetischer Reihenfolge werden die aktuellen Telefonnummern, Adressen und Angebote aller Einwohner, Unternehmen und Institutionen aus einer bestimmten, nicht näher klassifizierten und deshalb vermutlich fiktiven Region zusammengestellt.

Schon der Prolog lässt dem geneigten Leser das Blut in den Adern gefrieren: "Notfälle", "Hilfe und Beratung" sowie eine "Übersichtskarte des Geltungsbereiches" und ein "Ortsverzeichnis der Postleitzahlen" heißen die ersten Rubriken des voluminösen Bandes, und damit ist nicht zuviel versprochen.

Ein "Straßenverzeichnis" schließt sich an, doch kaum glaubt der Leser, damit in ruhigerem Fahrwasser zu schwimmen, wird er von dem darauf folgenden "Behördenwegweiser" jäh an die Grenzen des menschlich ertragbaren geführt.

Der "Abschleppdienst Günther Schmitt" eröffnet nun - freilich als getarnte Werbeanzeige - ein Stakkato literarischer Raserei. "Aaken van, Stephan" erscheint, nimmt von dem geschockten Leser Besitz und lässt ihn fürderhin nicht mehr los.

Die Thematik, die der - unbekannte - Autor in seinem Werk aufwirft, ist bedrückend, gleichwohl - so traurig es ist - hochaktuell: in der grauen Masse der "Baldauf, Christa, Frisörladen", der "Kleinheisterkamp, Regina", der "Stadelmayer Jürgen u. Doris" und der "Weckesser Kerstin" wird der Finger gelegt auf gesellschaftliche Verwerfungen, menschliche Abgründe, Tragödien unendlicher Tragweite.

In seiner lakonischen Banalität schockiert das Werk mit stoischem Gleichmut. Die unüberhörbare Sozialkritik, die der Autor geschickt in die fesselnde Handlung verwoben hat, lässt sich trefflich anhand einer Textstelle belegen: "Kinder- und Jugendmedizin, Prehn M. Dr. 90 08 45."

Das ist nicht nur fein beobachtet, das ist entlarvend. Und so fährt der Autor fort, Mosaikstein für Mosaikstein den gesamten Geltungsbereich seziererisch in kleinste Mikroparzellen zu zerlegen, um diese dann in einem furiosen Finale zu einem überraschenden Gesamtwerk zusammenzufügen: "Zyryanova Erwin, Auf der Schanz 9, 20 52 89 12".

Erschöpft, nein, wie gelähmt lässt der Leser das Werk sinken. Die schonungslose Offenheit, die Klarheit der niemals reißerischen Sprache, die atemlose Spannung, die Vielschichtigkeit der geschilderten Figuren, die hochaktuellen Themen, all das lässt dieses Buch zu einem Werk werden, das nicht nur grenzenloses Lesevergnügen bereitet und knisternde Hochspannung erzeugt, sondern den Leser auch sehr nachdenklich zurücklässt.

Mein Fazit: wer dieses Buch einmal in seine Hände nimmt, wird es nicht mehr weglegen, bis auch der letzte Name gefallen, das letzte Geheimnis gelüftet und die letzte Nummer entschlüsselt ist.

Sehr empfehlenswert!


Mein Urteil fällt kürzer aus: Schwache Handlung, aber was für eine Besetzung!
#
So, Herrschaften, was haben wir heute vorliegen. 'Das Örtliche'. Ich habe dieses Buch mit allergrößtem Widerwillen gelesen. Ein belangloser, ein schlechter, ein miserrrabler Rroman. Es lohnt sich nicht, auch nur ein Kapitel, auch nur eine einzige Seite, auch nur den kleinsten Eintrag dieses Buches zu lesen. Lohnt es sich, darüber zu schreiben? Ja, aber bloß deshalb, weil der Roman von einem Anonymus stammt, einem Autor immerhin, der einst als eine der größten Hoffnungen der deutschen Nachkriegsliteratur galt – und dies keineswegs zu Unrecht.

Vor Jahren konnte man sich darüber Gedanken machen, ob die Sprache das Instrument dieses Autors sei oder dieser lediglich ein Medium der Sprache. Heute sind solche Überlegungen gegenstandslos. Von seiner einst rühmlichen Empfänglichkeit für Töne und Zwischentöne ist buchstäblich nichts geblieben: Namen, Topographien, Zahlenfolgen. Die Sprache verweigert sich ihm, seine Diktion ist jetzt saft- und kraftlos: In dieser Asche glimmt kein Funken mehr.

Rezensenten, die sich für ,progressiv’ halten, werden das Buch ausgiebig loben, denn sein Autor gilt ja als furchtloser Linker. Und Rechter. Aber diese Prrosa – das sei mit Entschiedenheit gesagt – ist weder links noch rechts. Sie ist nur langweilig.

Der Autor des 'Örtlichen', den wir für einen der besten Erzähler seiner Generation gehalten haben, trieb viele Jahre mit seinem Talent Schindluder. Er hat es fast ruiniert und ist nun erneut an einem Tiefpunkt seiner Laufbahn angelangt. Bei einem Machwerrk, lustlos zusammengeschustert aus einer erdrückenden Menge von Kürzestbiographien ohne jede Tiefe. Wer Liebe sucht indiesem Buch: er wird sie nicht finden.  Doch gibt es Tiefpunkte, die sich als Wendepunkte erweisen. Hinter diesen Worten verbirgt sich keine Voraussage, wohl aber, das soll nicht verheimlicht werden, immer noch eine Hoffnung.
#
@ stefank und adlerkadabra:

es ist eine wahre Freude, mit euch zu diskutieren!  
Ihr habt beide keine Ahnung, zieht mich auf euer Niveau herab und schlagt mich dann mit eurer Erfahrung.



Der nächste Beitrag wird wieder seriös. Versprochen.  
#
Von Diskussion kann hier überhaupt keine Rede sein  
#
Ebend.  
#
Na gut, werden wir wieder seriös (und, ja, der geneigte Leser mag einen drohenden Unterton mitschwingen hören).

Er läuft. Und schreibt eine Prosa, wie man sie zur Zeit in deutscher Sprache suchen kann: Wolfgang Büscher.

Besonders empfehlenswert finde ich persönlich:

Hartland - Eine Reise zu Fuß durch Amerika
http://www.amazon.de/Hartland-Zu-Fu%C3%9F-durch-Amerika/dp/3871346853/ref=ntt_at_ep_dpi_1

Asiatische Absencen
http://www.amazon.de/Asiatische-Absencen-Wolfgang-B%C3%BCscher/dp/3499248166/ref=ntt_at_ep_dpi_4

Es sind Reisebücher, dokumentarisch und zugleich fiktiv wie Chatwin, weniger tratschhaft wie jener (was ja durchaus auch eine Qualität sein kann) und einfach unglaublich reich und lebendig. Menschen, Situationen, Landschaften beschreibt er mit atemberaubender Genauigkeit, aber ohne Festlegung, immer mit der Offenheit, die freisetzt.

Probe gefällig? - fast schon programmatisch:

"Eine eigene Spannung erfasst uns, wenn wir reisen, wenn wir ins Entlegene dringen. Wir schauen und schauen, fahren, fahren und reden kaum mehr. Wir sehen in einer Weise, die das Darüberreden verstummen lässt, mit dem wir uns gewöhnlich behelfen. Reine Gegenwart. Was wir sonst waren, verblasst - wie in der Liebe, wie in einem Kampf."

Ein zeitgenössischer Reisemystiker wie außer ihm vielleicht noch Werner Herzog, dessen Bänchen 'Vom Gehen im Eis' hier gleich noch als weitere Empfehlung angefügt sein soll:

http://www.amazon.de/Vom-Gehen-Eis-M%C3%BCnchen-Paris-14-12-1974/dp/3596183472/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1307267904&sr=8-1
#
Hartland werde ich mir besorgen. Interessiert mich sehr.

Zuerst aber einen der vorherigen Tipps: Weil Samstag ist. Von Frank Goosen hab ich schon einiges gelesen, und das war gut.

Danke.  
#
Lese gerade "häppchenweise" Frank Goosens "weil Samstag ist".

Macht echt Spaß. Man liest mit einem wissenden Lächeln. Alles schon erlebt, was Goosen da beschreibt, alles schon erlitten. Und doch selten so pointiert gelesen. Es hilft natürlich, wenn man schon mal mit dem Fahrrad durchs Ruhrgebiet gefahren ist und sowohl in Dortmund als auch in Bochum im Stadion war.

Nur eines nervt: die Ruhrkumpel kommen immer daher, als hätten die den Fußball erfunden. Als könne man all das, was da so schön beschrieben steht, nur zwischen Kohlezechen und Allerweltsstadtparks erleben. Als würden nur "Watt?" und "Kannze mal sehen" den Zugang zu dieser Leidenschaft öffnen. Chauvinistenschweine.

Und ein zweites Manko: ans "Örtliche" kommt das Buch nicht ran.  
#
Weils dazu passt: hier ein kleiner Auszug aus meiner Fußball-Bibliothek. Ein paar der legendären Titel gibts vermutlich schon gar nicht mehr. Aber wer von euch kennt:

Michael Klaus, Nordkurve
Arena Verlag 1982

Einer schlitzt.
Einer reißt.
Einer knallt dem Nebenmann die Bierdose ins Gesicht.


Wurde auch verfilmt.

Ror Wolf, Das nächste Spiel ist immer das schwerste
Athenäum 1982
Mit sagenhaften Bilddokumenten

Ror Wolf, Punkt ist Punkt
Suhrkamp 1973

Rainer Moritz, Vorne fallen die Tore
Fischer 2006
Fußballgeschichten von Sokrates bis Klinsmann

Karl Riha (Hrsg), fußball literarisch oder der Ball spielt mit den Menschen
Fischer 1982
Erzählungen

Ludwig Harig/Dieter Kühn, Netzer kam aus der Tiefe des Raumes
Hanser 1974
Notwendige Beiträge zur Fußballweltmeisterschaft

Eckhard Henscheid, Standardsituationen
Haffmanns 1988
Mit einigen Beiträgen von F.W. Bernstein

Und hier mein Prunkstück, unzählige Male gelesen, ein Buch, das zu seiner Zeit eine Revolution war:
Helmut Sohre, Weltmacht Fußball
Franckhsche Verlagshandlung 1964
Mit Geschichten über Pele, Helmut Rahn und den Mitropa-Cup.

In diesem Buch steht tatsächlich der von dem HSV-Verteidiger und Nationalspieler 1964 geäußerte Satz:
"Mir ist der Fußball zu kommerziell geworden. Ich höre auf."

Wahnsinn.  
#
Ups... Der zitierte HSV-Spieler war Jürgen Werner. Glatt vergessen.  
#
Will auch mal ein Buch empfehlen, das ich letzte Woche gelesen habe und mir sehr gut gefallen hat:

Tauben fliegen auf von Melinda Nadj Aboni

Das Buch beginnt so:

„Als wir nun endlich mit unserem amerikanischen Wagen einfahren, einem tiefbraunen Chevrolet, schokoladenfarben, könnte man sagen, brennt die Sonne unbarmherzig auf die Kleinstadt, hat die Sonne die Schatten der Häuser und Bäume beinahe restlos aufgefressen, zur Mittagszeit also fahren wir ein, recken unsere Hälse, um zu sehen, ob alles noch da ist, ob alles noch so ist wie im letzten Sommer.“


Kurzbeschreibung aus amazon:

Eine ungarische Familie aus Serbien in der Schweiz. Ein schwungvoll und gewitzt erzählter Roman aus der Mitte Europas.Zuhause ist die Familie Kocsis also in der Schweiz, aber es ist ein schwieriges Zuhause, von Heimat gar nicht zu reden, obwohl sie doch die Cafeteria betreiben und obwohl die Kinder dort aufgewachsen sind. Die Eltern haben es immerhin geschafft, aber die Schweiz schafft manchmal die Töchter, Ildiko vor allem, sie sind zwar dort angekommen, aber nicht immer angenommen. Es genügt schon, den Streitigkeiten ihrer Angestellten aus den verschiedenen ehemals jugoslawischen Republiken zuzuhören, um sich nicht mehr zu wundern über ein seltsames Europa, das einander nicht wahrnehmen will. Bleiben da wirklich nur die Liebe und der Rückzug ins angeblich private Leben?

http://www.amazon.de/Tauben-fliegen-Melinda-Nadj-Abonji/dp/3902497785

Melinda Nadj Abonji hat für diesen Roman letztes Jahr den deutschen Buchpreis erhalten.

Ein Buch, das unterhält, aber auch zum Nachdenken anregt und bei dem ich wieder mal dazu gelernt habe.  
#
Ich habe gerade "Daisy Sisters" von Henning Mankell gelesen und festgestellt: Der Mann kann nicht nur Krimi (Auch wenn ich seit Jahren ein großer Fan seines Kommissar Wallander bin.)

Bei "Daisy Sisters" kann ich mich gar nicht recht festlegen, was es nun genau für ein Buch ist. Familiengeschichte? Gesellschaftsroman? Vielleicht etwas von beidem. Mankell erzählt hier einerseits die Geschichte zweier Frauen, Mutter und Tochter, von den Jahren 1941 bis 1981. Die Mutter, Elna, ist 17 Jahre alt, als sie auf einer Radtour mit einer Freundin durch Schweden vergewaltigt und ungewollt schwanger wird und ihr Leben dadurch in andere Bahnen gelenkt wird, als sie es sich erträumt hat. Ähnlich wird es Jahre später auch ihrer Tochter Eivor ergehen, die davon träumt, aus ihrem Leben in der Arbeiterklasse auszubrechen und auf eigenen Füßen zu stehen. Doch auch ihre Pläne werden vom Schicksal immer wieder durchkreuzt.

Neben der Geschichte der beiden Frauen liefert Mankell auch ein Bild der schwedischen Gesellschaft jener Jahre: "von den Kriegsbeben im neutralen Schweden über die Fortschrittsfreude der fünfziger Jahre hin zur Freiheit der Sixties und der bald einsetzenden Krise der Großindustrie" (FAZ).

Eine Mischung aus Gesellschafts- und Familienroman also, die ich mit großem Interesse gelesen habe.
#
Wenn du von Mankell nur die Wallander Romane gelesen hast, kann ich dir sehr "Der Chronist der Winde" ans Herz legen.
Das Buch behandelt die neuere Geschichte Afrikas aus der Sicht von Strassenkindern...
Lohnt sich sehr..."Tea Bag" liegt noch neben meinem Bett...vieleicht sollte ich das nach "Rot ist mein Name" angehen...


Teilen