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owladler

5781

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7a) 50.-€
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Eentuell könnte man hier die "Diva" auch mal loben. Die Artikel über die Eintrachtkeeper, den Nazarov von der U 23, den U-17 Kapitän Kempf oder den Spielevermittler Bachmann finde ich richtig gut. Weiter so.
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Angebot 1b : 50€.
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Glückwunsch zu dieser 200. Habt ihr toll gemacht. Dankeschön.
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Vielen Dank für die positive Resonanz und die Hinweise, denen ich gerne nachgehen(!)werde. Wir sehen uns, Montag in Aue oder irgendwann, irgendwo, immer der Eintracht nach.
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Spaziergang nach Ingolstadt

Gut, ich gebe es zu, gleich zu Beginn. Die Idee habe ich nicht selbst gehabt; ich will mich ja nicht mit fremden Federn schmücken.
In den letzten Tagen habe ich es wieder in der Hand gehabt: Johann Gottfried Seume „ Spaziergang nach Syrakus“.
Ich habe eine Ausgabe des Aufbau-Verlages Berlin und Weimar aus dem Jahre 1983, „printed in the German Democratic Republic“, ein kleines handliches orangefarbenes Bändchen, das ich alle paar Jahre wieder aus dem Regal nehme, weil mich die Lebensgeschichte des Mannes fasziniert, sein Intellekt, seine Lockerheit und vor allem seine unbändige Willenskraft.
Seume hat sich im Jahr 1802 einfach hingesetzt und Zwischenbilanz gezogen. Dann ist er aufgestanden und ist von Grimma in Sachsen nach Syrakus auf Sizilien gegangen, weil es ihm als das Beste erschien, was er jetzt gerade tun könne.
So stelle ich es mir jedenfalls vor, was ihn ganz exakt bewegt hat, kann ich natürlich nicht sagen. Er hatte auf jeden Fall jeden Anlass zu einer solchen Wanderschaft, nachdem er zu diesem Zeitpunkt schon eine unglaubliche Lebensreise hinter sich gebracht hatte:
Seume kam im Jahr 1763 in einer Bauernfamilie zur Welt; der Vater verkaufte den Grundbesitz, pachtete einen Gasthof, verlor den größten Teil des Vermögens, erkrankte, verstarb, die Familie verarmte.
Ein Graf erkannte die Begabungen des jungen Johann Gottfried und förderte ihn bis zur Aufnahme eines Theologiestudiums; dann rebellierte der junge Mann, er floh, versuchte nach Paris zu kommen, wurde von hessischen Soldatenwerbern erwischt, in der Festung Ziegenhain zum Soldaten gemacht und mit tausend Anderen an die Engländer verkauft, die ihn dringend in Nordamerika zur Bekämpfung der aufständischen Kolonisten benötigten.
Er hatte dort drüben Glück, kam nicht in Gefechte, konnte ein Jahr später nach Deutschland zurückkehren, haute ab vom Militär und wurde wieder geschnappt und erneut zum Militärdienst gepresst, diesmal in die preußischen Armee.
Dann haut er wieder ab, wird geschnappt, bestraft, haut wieder ab, wird wieder geschnappt, wieder Bestrafung.
Mit 24 Jahren kann er sich endlich endgültig absetzen und kehrt zu Muttern nach Sachsen zurück. Jetzt bringt er die Energie zum Studium auf, Jura, Philosophie, Philologie, Geschichte; der Graf fördert ihn wieder.
Mit 29 Jahren habilitiert er, wird Dozent und geht dann – zur russischen Armee; diesmal aber in einem anderen Status, als Leutnant und Adjutant eines Generals. Nun ist er in Litauen, Estland, dann in Polen.
In Warschau gerät er bei Kämpfen in polnische Gefangenschaft, wird erst nach mehreren Monaten befreit, später von der Armee beurlaubt und schließlich auf Antrag entlassen – ohne Pensionsberechtigung.
Er wird wieder Dozent, veröffentlicht als Schriftsteller, kommt in das bürgerliche Leben und verliebt sich – natürlich „unglücklich“.
Johann Gottfried Seume steigt gesellschaftlich weiter auf, lernt den berühmten Theatermann Iffland kennen, Klopstock, Wieland, Schiller, Goethe und, und, und...
Und dann steht er auf und geht. Nach Syrakus; man muss nicht nur drüber reden, man muss es auch mal machen. Könnte jedenfalls sein Motiv gewesen sein.
So ähnlich vielleicht, wie sich in unserer Zeit ein bekannter Entertainer auf den Jakobsweg gemacht hat und damit für eine erstaunliche Resonanz gesorgt hat.
Na gut, denke ich mit, was dem Einen sein Santiago, ist dem Anderen seine Eintracht und Auswärtsfahren ist doch auch so eine Art Pilgerschaft. Aber halt! Warum denn eigentlich „Fahren“? Kann man das denn eigentlich machen?
Wo du hingehst, da will ich auch hingehen? Also im wörtlichen Sinn „gehen“, also zu Fuß? Durch Wind und Wetter, die Straße lang, die Berge rauf und runter?
Was steht denn jetzt nach der langen Cottbus-Fahrt an? Dresden, Aue, Ingolstadt…
Ein sinnloseres Ziel als Ingolstadt, das gibt es doch eigentlich gar nicht, das wäre doch schon wieder interessant. Wie weit ist das denn weg? Man müsste sich natürlich eine Route suchen, die etwas abweicht vom direkten Weg, es sollte ja auch darum gehen, Neues kennen zu lernen. Ein paar Hintergrundinformationen können auch nicht schaden. Spielen wir es einmal durch, mal sehen, Ende Oktober, da sind doch Herbstferien und Überstunden habe ich auch…

Erste Etappe: Dienstag, 18.10.2011
Ich wollte es mir zwar nicht allzu schwer machen, aber etwas nervös bin ich schon und deswegen habe ich auch nicht so besonders geschlafen und wenn ich jetzt um ½ 6 Uhr morgens wach bin, dann kann ich eben auch aufstehen. Also los und weil die Vorbereitungen gestimmt haben, bin ich mit Sack und Pack und Gruß und Kuß um ¼ 7 Uhr schon auf der Straße und wandere in frischer Witterung aus unserem Dorf hinaus. Den Zeitungsboten treffe ich noch, aber jetzt will ich mir meine eigene Zeitung sein.
Vielleicht sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass ich zwar Eintrachtfan bin, aber beileibe nicht in Frankfurt lebe, sondern in einem Dorf bei Paderborn, also im schönen Ostwestfalen ( Oberzentrum der Zementindustrie ), was mir den Weg nach Ingolstadt etwas länger macht. In etwa doppelt so lang, aber dafür bin ich ja auch etwas früher losgegangen.
Ich bin hier im Eggegebirge unterwegs, ein eher hügeliges Gelände, sehr bewaldet, viel kann ich gar nicht sehen, weil zu so früher Stunde der Nebel einiges verbirgt.
Mit meinem morgendlichen Elan erreiche ich schon gegen 10 Uhr die kleine Stadt Lichtenau. Viel Landwirtschaft und ein wenig Industrie gibt es hier; Lichtenau ist schon früher immer nicht ganz arm gewesen, passte daher aber leider immer wieder in das Beuteschema der Mächtigen. Napoleon zum Beispiel lagerte hier 1806 mit ca. 30.000 Soldaten; die „Grande Armee“ vergriff sich am Hab und Gut der kleinen Leute, da kann man sich ausrechnen, was anschließend übrig blieb.
Linker Hand stehen heutzutage hier auf der Paderborner Hochfläche wohl an die 50 Windkraftanlagen. „Wer Wind sät, wird Sturm ernten“, heißt es, was aber wird aus dem, der schon den Wind erntet? Die Landwirtschaft ändert sich jedenfalls, viele Bauern kommen jetzt mit Windkraft und Biogasanlagen in der Energiebranche an; Erntedankfest wird bald vor dem Stromzähler gefeiert.
Ich komme nach nicht ganz einer Stunde in dem nächsten Ort an:  Kleinenberg , eine kleine Gemeinde mit 1.500 Einwohnern, ich habe hier schon manchmal am Spielfeldrand gestanden, bei Auswärtsspielen meiner Tochter, denn es wird Frauenfußball gespielt, in der DJK, einem ursprünglich katholischen Verein also. Katholisch ist auch die architektonische Hauptattraktion der Ortschaft, die barocke Kapelle, denn Kleinenberg ist Wallfahrtsort. Die Außenfassade der Kapelle sehe ich häufig, sie liegt nämlich an der B 68 und damit am Beginn meiner regulären Fahrtstrecke Richtung Waldstadion. Heute gehe ich auch kurz in die Kapelle hinein; im Hochaltar ist ein Gnadenbild aus Eichenholz mit dem Namen "Auxiliatrix de Monte Modico", (Helferin vom kleinen Berg). Vielleicht verhilft sie mir zu dem nötigen Durchhaltevermögen; jetzt wo ich ernst gemacht habe und gerade losgegangen bin. Dünner kalter Sprühregen macht mir trotz guter Kleidung etwas zu schaffen. Mir ist doch etwas bang, ob ich mir nicht zu viel vorgenommen habe. Andererseits bin ich ja niemandem verpflichtet und es kann mir eigentlich egal sein, wie weit ich komme.
Deswegen weiter Hügel auf und ab, bis ich am Nachmittag mein erstes Tagesziel erreicht habe: Marsberg. Obwohl nicht weit von meinem Wohnort, bin ich hier zum ersten Mal. Marsberg gehört schon zum Sauerland. In der Germanenzeit soll hier das große Heiligtum, die „Irminsul“, der Weltenbaum gestanden haben. Karl der Große hat das mitsamt den Sachsen weggefegt; heute wäre das bestimmt Weltkulturerbe und Marsberg wäre weltbekannt. So aber gibt es hier nur ein Autobahnkreuz mit viel Schnee und Eis und eine psychiatrische Klinik. Das hätte besser laufen können. Schön passend aber finde ich das Wappen der Stadt: „In Rot der goldene Buchstabe A.“ Geht doch für einen Anfangstag. Im Zimmer der Pension höre dann von den besorgniserregenden Ereignissen um Martin Fenin; hoffentlich kommt er gut durch seine schwere Zeit.


Zweiter Tag: Mittwoch, 19.10.2011
Am ersten Tag hatte ich mir absichtlich kein besonderes Pensum aufgebürdet, ich wollte erst einmal anrollen und habe den Auftakt auch gut vertragen. Heute etwas mehr Strecke, ich spüre aber so eine innere Unruhe, werde früh wach  und bin tatsächlich schon ¾ 6 auf der Straße.
Gut, dass ich das gestern schon angekündigt und auch meine Rechnung beglichen hatte und gut auch, dass ich es gewohnt bin, ohne großes Frühstück, sondern nur mit einem Glas Wasser zu starten. Ich gehe dann leichter und energievoller und komme besser voran. Die Stärkung bei der ersten Rast tut dann gut, macht nicht satt und müde, sondern gibt neuen Schwung. Zum Glück scheint heute auch wieder die wärmende Oktobersonne.
Nach meinem Frühstart in Marsberg mache ich diese erste Rast heute in Bad Arolsen. Hier bin ich schon einmal mit meinen Kindern in klassischen Filzpantoffeln durch das Residenzschloss geschlurft.
Heute lasse ich es nach einer kurzen ¼ Stunde links liegen und gehe durch das Twistetal, eben nach Twiste.
Drohend steht die riesige Talbrücke der A 44 über mir, von oben aber noch nicht so viel Autolärm, wie ich erwartet habe. Der Anblick ist aber schrecklich.
Dann weiter nach Waldeck, hier gab es mal Fürsten, die auch in Arolsen das Schloss bewohnten und mit dem niederländischen Königshaus verwandt sind. Ist mir aber egal, ich bin eher für den königlichen Himbeerkuchen am Edersee zu haben, bevor ich zum letzten Teilstück nach Bad Wildungen aufbreche. Jetzt beginnt es leicht zu regnen; dann kommen ganz dunkle, fast drohende Wolken. Ich habe aber das Glück einen ganz schweren Gewitterregen mit Graupelschauer in einer Schutzhütte abwarten zu können; wenn mich das auf offener Strecke erwischt hätte, wäre es schwer geworden.
Langsam beginne ich die heutige Distanz zu spüren und die letzten Kilometer ziehen sich etwas, aber ich weiß, dass ich heute Abend bei einem Bekannten übernachten werde, habe alle Zeit der Welt und genieße am Zielort „Ahle Worscht“, ein gutes Bauernbrot, lege nicht einmal Wert auf die Dortmunder in Piräus und schlafe schon bald nach den Nachrichten, die mir die Straßenproteste der Griechen zeigen, tief und fest.


Dritter Tag: Donnerstag, 20.10.2011
Nach kurzem Aufgalopp begegne ich am frühen Morgen einem Tandemfahrer, der allein unterwegs ist(!) Ich bin nicht päpstlicher als der Papst und nehme den Bonuspunkt gerne mit, etwa drei Kilometer mit dem Rad, immerhin; heute ist ohnehin der „Mammuttag“, der längste Tagesabschnitt, den ich mir vorgenommen habe.
Pünktlich zur Mittagszeit erreiche ich dann Homberg. An der Efze, nicht an der Ohm, das ist noch weiter weg. Homberg (Efze) kannte ich bislang nur als Namen auf den Autobahnschildern der A7.
Die kleine Stadt hat einen ganz schönen mittelalterlichen Stadtkern, Fußgängerzone; da passe ich ganz gut hin, bin auch Fußgänger und mittleres Alter. Ich muss aber weiter. In Homberg (Efze) beginnt ein Höhenwanderweg, der mich heute bis zum Abend durch den Knüllwald nach Bad Hersfeld führen wird. Der Weg, weitab von den Straßen, lange Strecken durch den Wald tut gut, eine richtige Sauerstoffdusche.
Bad Hersfeld, seit Mitte der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts (!) bin ich hier einmal im Jahr zu den Festspielen und habe es nie bereut; jede Vorstellung  ein Gewinn, natürlich unterschiedlich, erheiternd, nachdenklich machend, aber immer ein Gewinn. In der nächsten Saison kommt Volker Lechtenbrink und wird den Lear spielen, da kann ich mich jetzt schon drauf freuen. Auch immer in einer Hauptrolle, die Ruine der Stiftskirche mit ihrer tollen Akustik. Seit Jahren hängt ein Zeltdach wie eine Fledermaus an einer Spanndrahtkonstruktion an der Seite; bei schlechtem Wetter überdeckt es die Zuschauer, die Schauspieler stehen im Regen und müssen flüssig weiterspielen. Schöner ist es natürlich ohne Dach, da fliegen bei den Abendvorstellungen erst die Mauersegler und dann die Fledermäuse über die Szenerie.
Zum Tagesabschluss habe ich auch mit Flüssigkeiten zu tun: warmes Wasser aus der Dusche, anschließend Franzbranntwein für die Muskulatur, dann ein Glas Wein für das innere Wohlbefinden.
In den Abendnachrichten schließlich Jubelschüsse über den Tod von Gaddafi und wieder Zorn in Griechenland über die Sparbeschlüsse; dort sollen jetzt Tarifverträge nicht mehr gelten und Staatsbeamte entlassen werden können. Viele Emotionen, in denen sich die Menschen Luft machen nach der Wucht der Ereignisse, aber dabei darf es nicht bleiben, dahinter muss dann auch wieder das Engagement für konstruktive Arbeit kommen, um die Situation zu verbessern. Das ist wie beim Fussball; der Jubel über das 1: 0 darf nur der Startschuss sein für alle Anstrengungen, den Sieg unter Dach und Fach zu bringen.


Vierter Tag: Freitag, 21.10.2011
Von Bad Hersfeld geht es zuerst nach Friedewald.
Friedewald, was für ein schöner Name. Heute gibt es hier die Ruine eines Wasserschlosses und den Götterboten Hermes, der hier in großen Hallen residiert und jetzt Pakete ausliefern muss. Welch ein sozialer Abstieg, was hat er wohl falsch gemacht? Umschulungsopfer.
Weiter nach Phillippsthal (Werra); Achtung, Grenze! Früher die problematische zwischen Deutschland und Deutschland, heute die unproblematische zwischen Hessen und Thüringen. Die Grenzer sind freundlich, die Formalitäten rasch erledigt, Kontrolle entfällt; ab auf die andere Straßenseite. Thüringen; die sagen, sie wären im Herzen von Europa. Na ja, vielleicht Herzkranzgefäß.
Am Abend sitze ich in Bad Salzungen am Gradierwerk und tanke Energie für morgen. Es wird noch Werbung gemacht für das 35-jährige Bühnenjubiläum einer Blues-Rock-Band, die früher im Osten populär gewesen sein soll, aber ich will mich lieber zurückhalten.
Dafür erlebe ich eine tolle Szene mit einer Katze, die auf Steinstufen liegt und die letzten Sonnenstrahlen genießt, als ein Ehepaar mit einer nervösen Dogge vorbei kommt. Während ein paar Fußgänger zuvor einen Bogen um die Katze gemacht hatten, um sie in Ruhe zu lassen, steuert das Ehepaar direkt darauf zu. Platz wäre genug, aber Herrchen gibt Hundchen etwas mehr Leine, damit dieser das Hindernis entfernt. Hundchen wird aktiv, die Katze aber auch, springt die fünfmal größere Dogge unvermittelt an, knallt ihm eine und – legt sich wieder hin!
Herrchen, Frauchen und Hundchen sind entgeistert, empört, verstört und schlagen eine andere Richtung ein. Klarer Heimsieg, gut, dass es noch etwas dauert bis zum Auswärtsspiel; sonst hätte ich das als böses Omen genommen.
Am Abend ruft meine Frau an, das Land Brandenburg hat mir geschrieben. Die wollen für die Auswärtsfahrt nach Cottbus noch Geld von mir und haben zur Bekräftigung ihrer Forderung auch gleich ein Bild gemacht. Meine Frau hat es schon online bewundert und findet mich gut getroffen. Kurz vor Cottbus-West soll auf der Autobahn angeblich eine Baustelle mit Tempo 80 gewesen sein! Wegen meiner 121 km/h drohen mir wohl vier Wochen Fahrverbot; prima, die Übung für den Ernstfall ist schon in vollem Gang.


Fünfter Tag: Samstag, 22.10.2011
Von Bad Salzungen aus gehe ich heute nach Schmalkalden. Eine gute halbe Stunde des Weges mache ich zusammen mit einem Förster, der sein Revier begeht. Er erklärt mir so einiges über die Waldwirtschaft und rettet mir den Tag an einer entscheidenden Wegbiegung mit unzureichender Beschilderung.
In Schmalkalden sitze ich dann zur Mittagszeit in Bahnhofsgebäude und kann einem älteren Herrn bei der Eingabe am Fahrkartenautomaten helfen.
Wenn doch bei der Bahn alles nur so rasant funktionieren würde, wie der Einzug der Geldscheine bei der Bezahlung der Fahrkarten!
Von Schmalkalden kannte ich bislang  nur die Stichworte schmalkaldischer Bund und schmalkaldischer Krieg, habe aber auch erst in der Vorbereitung der Route nachgelesen, dass sich hier Protestanten gegen den katholischen Kaiser zusammenschlossen. Ich bekomme in Schmalkalden eher aktuelle Geschichte serviert, man erzählt mir die Geschichte von dem Riesenloch, eigentlich einem Krater, der sich letztes Jahr in der Ortschaft auftat, als eine unterirdische Höhle in sich zusammenstürzte und eine Straße in der kompletten Breite verschluckte. Jetzt ist das Loch wieder verfüllt; etliche LKW-Ladungen waren erforderlich.
Viel verschlungen hat auch der Krieg im Irak; Herr Obama hat ihn nun für beendet erklärt, wie ich lesen kann. Schöner Wahlkampfauftritt für ihn, er hat sein Werbeziel für heute erreicht, “mission accomplished“ wollte er wohl nicht sagen. Der Truppenabzug war doch ohnehin bereits klar, es ging doch bloß noch um eine kleine Resteinheit, die jetzt vorzeitig heimkehrt.
Mein Zielort ist heute Zella-Mehlis, weithin bekannt als Wintersportort; Skispringer, Nordische, Rodler sind hier am Werk. An einem Gymnasium komme ich vorbei und wundere mich schon, dass hier eine Schule nach Heinz Erhardt, dem deutschen Komiker benannt ist, es ist aber Heinrich Erhardt gemeint, ein Erfinder im Bereich Automobil- und  Waffentechnik. Wie des Öfteren muss ich auch hier zur Innenstadt erst durch ausgedehnte Gewerbegebiete gehen, sozusagen durch den Speckring hindurch, hier erscheinen sie mir fast größer als sonst, das habe ich nicht erwartet. Ganz in der Nähe ist auch der Rennsteig, berühmtes Wandergebiet, auch ein harter Geländelauf wird meines Wissens hier veranstaltet. Das ist noch mal eine ganz andere Hausnummer als mein Spaziergang.


Sechster Tag: Sonntag,  23.10.2011
Man muss Opfer bringen. Heute im Angebot: der Verzicht auf das Heimspiel gegen den MSV Duisburg um 13.30 Uhr. Mal sehen, ob ich rechtzeitig an ausreichende Informationen komme.
Erstes Zwischenziel ist heute die Stadt Suhl, dann die lange Strecke – etwa 30 Km –nach Hildburghausen: Etwas merkwürdig könnte auf außenstehende Betrachter mein unmotiviert erscheinender Jubel mitten auf freier Fläche erscheinen, es hat aber seinen Grund. Die moderne Technik hat schon ihre Sonnenseiten, ein kleiner Knopf im Ohr…
Am Nachmittag erreiche ich so fröhlich bei erneut wunderbarem Herbstwetter mein heutiges Etappenziel: Hildburghausen. Bevor ich mich mit diesem Weg beschäftigte, habe ich noch nie im Leben auch nur ihren Namen gehört, es war aber ein Versäumnis.
Früher herrschten hier thüringische und sächsische Fürstenfamilien, Hugenotten siedelten sich an, es gab einmal ein Schloss, welches der Weltkrieg und der Sozialismus ausradierten, es gibt aber noch einen schönen Schlosspark. Ein Tischbein hat hier gemalt, es war aber nicht der Tischbein, von dem das berühmte Goethebild mit dem falschen Fuß im Städel hängt.
Schreckliches geschah durch die Euthanasie der Nazis in der Landesheilanstalt.
Ein schönes Theater gibt es hier, leider keine Vorstellung, das Theresienfest, ein Pendant zum Münchner Oktoberfest ist auch schon zwei Wochen vorüber. In einem Faltblatt lese ich über die "Dunkelgräfin" eine mysteriöse Person, die mehrere Jahre hier lebte, deren wahre Identität immer Anlass von Spekulationen blieb, bis heute.
Ludwig Bechstein, der Märchensammler, hat die Geschichte zu einer Erzählung verarbeitet, mal sehen, ob ich die später irgendwo einmal zu lesen bekomme. Am Abend höre ich dann von dem schweren Erdbeben im Osten der Türkei, hoffentlich gibt es für die Leute dort auch einen „Rettungsschirm“, der ihnen vor dem Winter wenigstens ein Dach über dem Kopf sichert.


Siebter Tag: Montag, 24.10.2011
Den heutigen Weg habe ich mir in zwei Etappen aufgeteilt, das längere Stück zu Beginn. Von Hildburghausen sind es nach Coburg knapp 30 km.      
Eine Festung, hier aber : die Veste Coburg steht über der Stadt; aus dem Geschichtsunterricht weiß ich noch, dass sich dort Martin Luther aufhielt, als auf dem Reichstag in Augsburg um die Anerkennung des Protestantismus in Deutschland diskutiert wurde. Ausgerechnet er durfte aber als Verfemter nicht teilnehmen.
Eine von diesen schrecklichen Touristen-Bimmelbahnen fährt an mir vorbei dort hoch. Mein Protest verhallt ungehört.
Im Stadtprospekt sehe ich mit Erstaunen das Stadtwappen: ein Mohr mit goldenen Ohrring, es soll den Heiligen Mauritius darstellen. Der wollte als Führer einer römischen Legion nicht gegen die Christen kämpfen und wurde dafür hingerichtet.
Eine Überraschung jagt die nächste: Im Juli findet hier immer – Wahnsinn – das größte Sambafestival außerhalb Brasiliens statt !
Vielleicht sagt das einer mal dem Caio, eventuell interessiert es ihn und er kann dann einen Ausflug mit Familie machen.
Beschwingt tanze ich den Berg herab, in die Fußgängerzone und nehme mein nächstes Ziel ins Visier. Auf den Vortrag heute Abend um 19.00 Uhr im Pfarramt „Wahre Schönheit kommt von innen“, muss ich leider verzichten.    
Von Coburg aus geht es am zweiten Tagesabschnitt nach Lichtenfels; ich bin schon am frühen Nachmittag da.
Der Main fließt hier durch und schickt sein Wasser Richtung Frankfurt; hier sieht es irgendwie noch etwas sauberer aus. Den Korbmarkt habe ich verpasst, Lichtenfels ist eine Korbmacherstadt. Als ich mich als Fußballinteressent oute, erzählt man mir, dass Lichtenfels der Heimatort des Stürmers Stefan Kießling ist. Ich weiß aber nicht, in welcher Liga der spielt und kenne noch nicht einmal das Chemiewerk, bei dem er angestellt ist; man kann sich nicht überall auskennen.
Sind das nicht die, bei denen Ralf Falkenmayer früher einmal ausgeholfen hat?
Und deren Treter Jürgen Gelsdorf unseren Bum Kun Cha so schwer verletzt hat? Meine Güte, ist das Alles lange her…
Hier am Fluss sitzend fällt mir besonders auf, welchen Wechsel der Perspektive es bietet, wenn eine Distanz nicht nur schnell mit dem Auto durchmessen, sondern beim Gehen förmlich körperlich gespürt und mit allen Sinnen erlebt wird. Es war wohl eine gute Entscheidung, einfach einmal los zu gehen.


Achter Tag: Dienstag, 25.10.2011
Aus Lichtenfels heraus verhilft mir ein Autofahrer zur Überquerung der Autobahn A 73, danach geht es durch ein Waldstück zu einem absoluten Glanzstück, der Basilika Vierzehnheiligen von Balthasar Neumann. Hier fahre ich später noch einmal hin, einen Architekturführer, den ich gleich während des Weges beginne zu lesen, nehme ich mir schon einmal mit.
Die Basilika liegt schon im Bereich der Stadt Bad Staffelstein, der Heimat von Adam Ries, dem Rechenvorbild, die ich anschließend erreiche.
Eine kuriose Schaufenstergestaltung fällt mir auf. Es ist eine in drei Fenster gegliederte Auslage eines Teeladens, links Artikel zur Teezubereitung, rechts verschiedene Teesorten, in der Mitte nur ein Schild mit der Aufschrift: Zwischenraum. Wie sinnig.
Bamberg die alte Kaiser- und Bischofstadt wäre eigentlich ein Hauptziel gewesen, aber ich will ja eher die größeren Orte vermeiden und ziehe daher an dem fränkischen Rom vorbei; ungefähr 15 km habe ich noch vor mir zu meinem Tagesziel in Pommersfelden.
Der Wind macht mir etwas Sorgen, er stört mich zwar nicht, weil er mich eher anschiebt, aber mit dem Wind kommt oft ein Wetterwechsel und bisher hatte ich fast nur Idealbedingungen. Also Kragen hoch und weiter.
Natürlich wegen des Schlosses habe ich Pommersfelden gewählt; in Würzburg war ich schon mehrfach, in Pommersfelden vorher noch nie. Hier ist der Rand des Steigerwaldes erreicht. Ich kann in dem schönen Landschaftspark am Schloss sitzen und die Abendsonne genießen. Im Schloss Weißenstein gibt es eine gebaute Grotte, die kann ich aber nicht mehr sehen; letzte Führung 16.00 Uhr.
Im Schloss gibt es nicht: eine Heizung; sehr praktisch, senkt die Baukosten deutlich.
Wer nichts begehrt, ist wirklich reich.
Und im kalten Winter geht´s dann eben ins Zweitschloss. Der Herr von Schönborn war Kurfürst von Mainz, der konnte sich das leisten.
Am Abend kann ich dann ein Pokalspiel im Free-TV sehen: Dortmund gegen Dresden. Können eigentlich beide gleichzeitig ausscheiden? Mir wäre es recht. Ich fühlte mich schlecht behandelt, im letzten Saisonspiel in Dortmund. Ich stand im Block 61 und die Borussen aus Dortmund entblödeten sich nicht, sich über Tore der ansonsten so sehr verfeindeten Borussen aus Mönchengladbach zu freuen, weil sie uns schadeten. Es gibt nur eine Borussia! Na egal, ich konnte jedenfalls meiner Tochter zeigen, wie man erstklassig zweitklassig wird. Ich kannte das schon von früher, sie hat es jetzt kennengelernt.
In der Halbzeitpause lese ich, dass der Franzose Sarkozy den Engländer Cameron angeschnauzt haben soll, er habe eine gute Gelegenheit verpasst, den Mund zu halten. Die Nerven liegen wohl langsam blank bei den Politikern, die sich seit Wochen nur noch um die Finanzen kümmern können; ist das schon die Endzeitstimmung für den Euro?  Es scheint jedenfalls ans Eingemachte zu gehen.
In der Nähe von Bangkok soll übrigens ein Deich gebrochen sein, da haben wir auch oft eine merkwürdige Wahrnehmung. Wenn die Ereignisse räumlich weit weg sind und optisch in den Medien nicht plakativ präsentiert werden, nehmen wir sie auch nur am Rande wahr. Ein solches Hochwasser, sagen wir mal in Köln am Rhein und wir nähmen vermutlich Anteil an jedem Zentimeter Pegelstand.


Neunter Tag: Mittwoch, 26.10.2011
Pommersfelden morgens: Einerseits Freude, weil ich so schön vorangekommen bin und viel erleben konnte, andererseits: Heute ist DFB-Pokal! 20.30 Uhr, Heimspiel gegen Kaiserslautern! Das nagt schon morgens beim Aufstehen. Ich erinnere mich an meine schöne Auswärtsfahrt vom letzten Jahr. Ich saß dort unter anderem vor dem Spiel ganz in Stadionnähe kurz vor der bewussten Unterführung in einer italienischen Pizzeria, während draußen der Lauterer Mob vorbeizog, die Fäuste schwang und das lustige Liedchen sang, „Tod und Hass der SGE“. Als der Zug draußen stoppte, weil die Polizei ihn in die richtige Richtung leiten wollte, betraten ein paar finstere Gesellen aus dem wüsten Haufen die Gaststätte und fragten ganz höflich, ob sie die Toilette benutzen dürften. Raue Schale, weicher Kern  kleine Blase.
Aber hätte ich mir heute nicht vielleicht eine andere Route zu Recht legen sollen? Sollte ich nicht lieber einen kleinen Schwenk einlegen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln? Dann der Ruck: Jetzt habe ich es so gemacht, so bleibt es. Die Gedanken laufe ich mir aus dem Kopf, Richtung Erlangen. Aber nicht in die Stadt, die lasse ich auf der rechten Seite und gehe durch die Dörfer: Adelsdorf, Zeckern, Igelsdorf, Möhrendorf, interessante Namen. Ab der Gegend um Erlangen gab es für meinen Weg mehrere Optionen, aber in Fürth habe ich schon vor unserem 3:2 – Sieg eine Stadtbesichtigung gemacht, Nürnberg ist mir zu groß und Herzogenaurach zu sehr Matthäus. Also: nach Lauf an der Pegnitz.
Ich komme an einem kleinen Fußballplatz vorbei, jetzt am Abend zieht mich das Flutlicht an. Die Trainingseinheit einer Jugendmannschaft wird dort abwickelt, A- oder B-Jugend, schätzungsweise Kreisklasse. Bei allem ehrenamtlichen Bemühen, nach wenigen Minuten ist klar, es ist schauderhaft. Es ärgert mich richtig, ich habe das schon allzu oft gesehen: jahrelang bringt man den Kindern nichts bei und wenn sie dann in das Erwachsenenalter aufrücken, heißt es selbst in der Kreisliga „höchstens 2.Mannschaft, ihr könnt ja nichts“. Dabei gibt es so gute Fortbildungsmöglichkeiten für Jugendtrainer, aber gut gemeint, ist noch lange nicht gut gemacht.
Lauf liegt übrigens  auf der „Goldenen Straße“, dem alten Handelsweg zwischen Nürnberg und Prag; es ist aber trotzdem bloß Asphalt.
Mitten in Lauf steht malerisch auf einer Insel im Fluss das Wenzelschloss; ich esse zu Abend am historischen Marktplatz und erfahre, dass ich auf dünnem Grund stehe. Hier gibt es ganz viele Keller, die direkt in den Sandsteinfelsen hinein gehauen sind. Bei starkem Regen oder Hochwasser schaut da auch die Pegnitz gelegentlich vorbei. Mir fallen noch einmal die gestrigen Bilder aus Thailand ein.
Zum Abschluss des Tages gönne ich mir zur Ablenkung von meinen Strapazen eine Fußballübertragung auf Sky; heute finden gleich mehrere Spiele statt, für welches soll ich mich nur entscheiden…


Zehnter Tag: Donnerstag, 27.10.2011
Von Lauf führt mich mein Tag nach Neumarkt in der Oberpfalz.
Gestern wurde es spät, das Spiel war schwer, dauerte lang und endete schlecht. Auch heute Morgen sagt der Mann im Radio nicht, dass das Spiel anders gewertet wird. Verdammt, verloren und müde bin ich auch noch. Und „Oberpfalz“ muss ich auch denken; es ist aber eine ganz andere Region. Den Weg trotte ich zuerst schwerfällig herunter, als müsste ich eine unendliche Menge Holz stapeln und es wäre gar kein Ende in Sicht. Schade, dass ich gestern nicht doch ins Waldstadion gefahren bin. Erst ganz allmählich komme ich in Tritt, nach einer Zeit habe ich den Kopf frei, zumal ich auch heute wieder Wetterglück habe. Die Sonnen bessert meine Laune. So weit ist es heute auch gar nicht, vergleichsweise schlappe 33 Km.
Da ich schon am frühen Nachmittag ankomme, habe ich eigentlich ausreichend Zeit, aber irgendwie ist mein Körper mehr auf Erholung aus und so halte ich mich erst auf dieser Bank auf, dann auf jener…Muss auch mal sein.
Der Höhepunkt schlechthin: das Wappen von Neumarkt. Schwarzer Adler auf rotem Grund; das muss man gar nicht kommentieren.
Ein Straßenschild zeigt mir : 35 Km nach Schwabach, das ist der Heimatort von Egon Loy, dem Oka der 50er und 60er Jahre, es ist aber nicht meine Richtung, ich will morgen weiter nach Süden.
An einem Brückengeländer bei einer Bushaltestelle lehnt ein Junge, ich frage nach dem Weg, wir kommen ins Gespräch.
Er ist Lehrling für Werkstoffkunde und klagt, er habe Pech gehabt, seine Kollegen Werkzeugmacher hätten heute schon um 14.00 Uhr gehen können, da deren Meister eine Besprechung gehabt habe. Ich sehe das anders.
„ Wann hast du denn sonst Schluss?“
„ Na jetzt, 16.00 Uhr.“
„ Dann hast du doch kein Pech gehabt, dann ist das doch normal für dich.“
„ Ja, aber die anderen hatten Glück, die durften weg.“
„ Aber wenn die anderen Glück haben, hast du doch nicht automatisch Pech.“
„Doch, die durften doch weg und ich nicht.“
„ Aber die Abwesenheit von Glück ist doch nicht gleich Pech.“
Er schaut etwas verstört. Ich versuche es anders.
„ Es gibt doch auch noch etwas dazwischen. Wenn zwei gleichstarke Mannschaften Fussball gegeneinander spielen und sie neutralisieren sich völlig, nur in einem Moment hat die eine Mannschaft Glück, dann gewinnt sie.
Wenn es diesen Moment nicht gibt, bleibt es unentschieden.
Wenn sie einen Moment Pech hat, verliert sie das Spiel.
Du bist jetzt praktisch im Unentschieden, du hast weder Glück noch Pech gehabt, bei dir ist es normal gelaufen.“
Es arbeitet sichtlich in ihm, er denkt nach. Ich glaube einen Moment, ich habe es ihm verständlich machen können, dann antwortet er:
„ Aber wir sind nicht gleich stark. Die sind fünf.“
Da hat er recht. Immerhin sind wir beim Fussball gelandet. Er ist für den FCN, ich für die SGE.
„ Was ist das? “, fragt er. Ich erkläre ihm, dies sei der alte Name von Eintracht Frankfurt, SGE bedeute Sportgemeinde Eintracht.
„ Die sind raus“„ sagt er. „ Weiß ich, “ sage ich, „Pech gehabt “ „ Das Glück war abwesend “, sagt er und grinst,  „ eigentlich unentschieden “.
„ War aber Pokal gestern“, antworte ich. „ Ja “, sagt er, „ kenne ich. Der Pokal hat seine eigenen Gesetze. Der Club ist noch dabei. Wann ist denn Auslosung ?“.
„ Interessiert mich jetzt nicht mehr. Sonntag in der Sportreportage, 17.00 Uhr “.
„ Oh, “ sagt er, „ sehr gut. Da guck ich vorher ganz gemütlich erst mal 2. Liga.“
„ Ja, “ sage ich, „ mach ich auch. Die Eintracht spielt “.
Dann kommt sein Bus und wir gehen unserer Wege.
Viel Zeit für die Zeitung habe ich anschließend heute: Gaddafi ist schon im Wüstensand begraben, jetzt werden seine Anhänger massakriert, ich fürchte, unsere Vorstellungen vom politischen Umschwung in den arabischen Staaten passen nicht ganz zur dortigen Wirklichkeit. Ich lerne das Wort „ Arabellion „ kennen. In der Türkei sind schon über 400 Erdbebentote geborgen, in Italien bei Unwettern Häuser eingestürzt, es gab auch hier Todesfälle; hier dagegen geht es im Lokalteil der Tagespresse um die Ausgestaltung der Fußgängerzone. Welche Gegensätze!


Elfter Tag: Freitag, 28.10.2011
Sehr gut ausgeruht bin ich, habe aber auch über die Maßen lang geschlafen: bis 7.30 Uhr! Das sind tatsächlich zwei Stunden mehr als an allen vorherigen Tagen. Vermutlich habe ich das gebraucht und da ich mir auch heute keine große Distanz vorgenommen habe und das Ziel ja schon fast in Sichtweite habe, bin ich jetzt auch ganz sicher, dass ich bis Sonntag durchziehe. So positiv gestimmt, mache ich mich auf und erreiche bald das schöne Altmühltal; Tagesziel Dietfurt. „Diet“ ist ein altes Wort für Volk, lasse ich mir erklären, also eine Furt durch die Altmühl für das Volk. „Wir sind das Volk und wir wollen rüber“, das gab es also schon früher.
Kuriositäten werden mir benannt, eine Wallfahrtskirche „ Die Drei Elenden Heiligen“ ; die schaue ich mir auch an, so dass mir klar wird, das „elend“ in diesem Fall nur „aus dem Ausland“ bedeutet, es waren wohl iro-schottische Missionare.
In dem Gasthof sagt man mir, dass viele Besucher auch den „Unsinnigen Donnerstag“ nicht kennen. Ich kenne ihn aber auch nicht und erfahre, dass hier damit der Donnerstag vor Aschermittwoch gemeint ist, ihm Rheinland ist das Weiberfastnacht. Gut, dass dies im Oktober keine Rolle spielt.
Übrigens, wohin ich auch schaue, kein Polizeieinsatz, keine Randale, nirgends Pyrotechnik. Trotzdem ultraschönes Wetter.


Zwölfter Tag: Samstag, 29.10.2011
Dietfurt an der Altmühl; es ist schon Samstag, früh am Morgen. Mein heutiges Etappenziel heißt: Ingolstadt! Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal freue, nach Ingolstadt zu kommen.
Ich bin auch versucht nach Regensburg zu gehen, es läge von hier aus nahe, führt aber zu weit von meinem Ziel ab. Schade, Regensburg ist vermutlich viel schöner als Ingolstadt, hätte nicht der Jahn aufsteigen können...
Zwischenpause in Denkendorf; ich gebe zu, dass ich es für meine Route auch wegen des Namens ausgewählt habe, ein Dorf, in dem man denkt, dass klang reizvoll; tatsächlich hat der Name jedoch einen anderen Ursprung. Ein Germane namens Thanko soll Pate gestanden haben; machte aber nichts, geschadet hat die Visite nicht. Vor der Kirche ein Kriegerdenkmal; ein Soldat, der wohl im Sterben liegt, wird von einem Engel getröstet. Armer Kerl, hoffentlich sind hier solche Zeiten vorbei. Gorbatschow und Frau sind hier gewesen, daran wird erinnert und an den Limes, durch eine Säule mit dem wunderbaren Namen "Maxlstein". Noch einen Gedenkstein sehe ich, ein Kreuz, das zum Frieden mahnt; abgebildet eine „Stalingradmadonna“. Den Begriff kannte ich bislang nicht. Nächster Halt Ingolstadt, das Straßenschild sagt 21 Km. Katzensprung ( zumal mich eine ältere Dame noch einmal fast 10 Km mit dem PKW mitnimmt; sie kann gar nicht glauben, dass ich nach Ingolstadt zu Fuß gehen will und sagt, dass gäbe es in der heutigen Zeit gar nicht mehr und sie wäre ja schließlich verpflichtet zu helfen, wenn „Not“ besteht. Angesichts ihres Fahrstils kann ich mir auch vorstellen, dass sich mit Notfällen gut auskennt ).
Zum Abschluss nur noch ein paar, vor der Industrieumgebung her allerdings unangenehme Restkilometer.
Donaustadt, bayerische Landesfestung, mal sehen, ob wir „Die Schanz“ morgen knacken können, denke ich. Ich bin schon ganz beim Spiel.
Ich erinnere mich auch an ein Theaterstück „Fegefeuer in Ingolstadt“; so schlimm wird es ja hoffentlich nicht werden.
Bei meinem Gang zur Unterkunft komme ich doch tatsächlich am Rand der Innenstadt durch die „Milchstraße“; ganz ohne Raumanzug.


Spieltag, Sonntag, 30.10.2011
Nach dem Frühstück ein Spaziergang an der Donau, dann zum Bayerischen Armeemuseum. Nach dieser letzten Besichtigung bewege ich mich nicht mehr selbst, den Fernverkehr habe ich zu Fuß gemacht, für den Nahverkehr gilt ja mein Stadionticket, also Shuttle-Bus zum Tuja-Stadion.  
Tuja,Tuja, irgendwo her kenne ich das doch, klingt wie eine ägyptische Gottheit, halt, jetzt hab´ ich es: die sind Trikotsponsor von Preußen Münster, dem alten Gründungsmitglied der Bundesliga, wo einst Dagmar spielte. Die hatten echt einen Bundesligaspieler mit dem Vornamen Dagmar. Aber Münster ist jetzt kein Thema; Ingolstadt ist das Thema und Tuja. Tuja ist eine Zeitarbeitsfirma, also eine Firma, die anderen Firmen Arbeiter leiht, wofür diese Firmen dann Tuja Geld geben, wovon Tuja dann den Arbeitern weniger gibt, als wenn sie direkt bei der anderen Firma arbeiten würden. Von dem Rest kaufen sie sich große Häuser, schnelle Autos und machen Werbung für sich, indem sie Stadionnamen kaufen und Trikotaufdrucke, die im Fernsehen gezeigt werden, damit sie noch mehr Aufträge bekommen. So geht´s Bussiness…
Jetzt folgt erst einmal der Höhepunkt des Tages. Familienzusammenführung auf dem Stadionparkplatz; unrasiert und fern der Heimat schließe ich die Meinen in die Arme.
Ich bin gerührt, meine Frau besucht ein Auswärtsspiel von Eintracht Frankfurt.
Das habe ich gut hingekriegt.
Und jetzt geht´s in Stadion.
Audi-Sportpark, einer von diesen neuen, sterilen betonierten Schuhkartons, in die wir jetzt verbannt worden sind. Musikanlage und Videowand lenken die Gedanken von vernünftigen Themen ab und füllen mit uns mir „Unterhaltung“ ab. Dann kommen Schwarzrote aus den Kabinen, aber es sind gar nicht unsere. Die Ingolstädter Haupttribüne schwenkt ihre Geschenkfähnchen, wir singen davon, dass die Eintracht das Größte ist und bekommen eine schwache erste Hälfte serviert. Als Höhepunkt wird die Führung des FSV gegen Düsseldorf empfunden.
In der zweiten Hälfte wird es erst etwas besser, dann wieder schlechter, dann interessieren sich die Fans mehr für sich selbst, als für das Spiel, dann schießt Ingolstadt die Führung, dann wird es hektisch und als ich gerade beschließe mich wegen der schwachen Leistung nicht mehr über den Ausgleich zu freuen, falls er noch fällt, fällt er tatsächlich und ich freue mich natürlich doch. Ein Auswärtspunkt beim Tabellenletzten der zweiten Liga. Das haben wir uns verdient. „Pay for your ticket and don´t complain“, singt Dylan. Dann geht es nach Hause; diesmal über die Autobahn.

Ich bin richtig froh, dass alles so gut geklappt hat; von den Erlebnissen, die ich hatte, musste ich für diesen Text weniger aufschreiben, als eher unendlich viele wegstreichen. Vielen Dank an meine Frau, dass sie mich für diese Frist entbehrte, aber immer informatorisch auf dem Laufenden hielt, an Tochter und Sohn, für die Mithilfe bei der Routenplanung, die logistische Unterstützung und die Hilfe bei der Zusammenfügung dieses Textes.
Und bei meinen Schuhen: „these boots were made for walking“. Das war sehr wichtig.
So, jetzt höre ich auf mit meiner Beschreibung; vielleicht kann ich jemanden von euch mit meinem Bericht animieren. Es gibt viele schöne Stücke Deutschland. Und die Eintracht zeigt euch den Weg.
Geht los, wenn ihr Adler seid. Vorwärts Eintracht.









Und jetzt das Outing, aber ich möchte ja ehrlich bleiben:
Nein, ich bin die Strecke nicht gegangen. Jedenfalls nicht jetzt und in einem Stück. Ich habe mal eine ähnliche Tour gemacht, nach Bremen, auf die Baustelle, das war nicht so lang und damals habe ich auch nichts aufgeschrieben. Diesmal bin ich vor vier Wochen etwa 25% dieser Route gegangen und im vergangenen Jahr etwa 60% und  ca. 15% ( nach Kilometern geschätzt ) stecken in einer Tour, die ich mir für das nächste Frühjahr vorgenommen habe.
Mir ging es hier um das Schreiben und um das Unterhalten und hauptsächlich darum, an Johann Gottfried Seume zu erinnern; vielleicht auch um das Darstellen der „Entschleunigung“. Ein wunderbarer Effekt beim Gehen durch die Natur.
Ich hoffe, etwas davon ist mir gelungen.
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http://www.youtube.com/watch?v=Fl6PJ4ahn2o
Es sind übrigens bei einem anschließenden kleinen Spaziergang nur rund tausend Meter bis zur Ecke Miquelallee/Hansaallee ( dort war die Hundswiese ).
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Es gibt ja jetzt - übrigens auch im online-shop - das erläuternde Buch "Riederwald - Heimat der Eintracht". Schaut mal rein, das lohnt sich.
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jetzt gehen gerade die Absagen raus...Meine kam um 15.16 Uhr.
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kapitän schrieb:
Eine einfache Rechnung: Ein Fan hat 1000 Euro im Monat und wohnt 200 km von Frankfurt entfernt. Bei zwei Heimspielen im Monat fährt er 800 km/Monat, was allein fast 200 Euro Fahrtkosten bedeutet (und dann kommen ja auch noch die Auswärtsspiele). Dazu kommen Geld für Eintrittskarten, Verpflegung, Spenden für die geilen Choreos, etc. Ergo zahlt ein "kleiner" Fan von weiter her fast ein Viertel seines Monatsgehalts für die Eintracht - und zuletzt hat er dafür wirklich viel zurückbekommen.  
Von daher: Nein! Es ist nicht (mehr) an uns Fans, der Mannschaft zu helfen – vielmehr hat erstmal eine Entschuldigung seitens unserer massiv überbezahlten (im Verhältnis zu den alles gebenden Fans), überheblichen, uninspirierten, lustlosen, faulen Kicker zu erfolgen, bevor wir Fans uns weiter den ***** aufreißen. Ich hau mir alle zwei Wochen den Samstag um die Ohren, hab jeden Sonntag schlechte Laune und was ist der "Dank"? NICHTS!
Also ganz klar: Komplettes Support-Einstellen bis zum nächsten Bundesligator! Mit überragendem Support (Lautern) hat es schließlich nichts gebracht. Wir Fans haben gezeigt, dass wir alles geben für die Eintracht und die gegnerische Anhänger in Grund und Boden gebrüllt, jetzt ist es einzig und allein an der Mannschaft, ein Zeichen zu setzen. Und vielleicht merken Sie endlich, dass mittlerweile ein anderer Wind weht, wenn sie von den Tribünen nicht mehr bedingungslos unterstützt werden.  


So ein Beitrag von jemandem, der Sportjournalist ist, mit einem Presseausweis ohne eigene Kosten auf der Pressetribüne sitzt, dann hier vorrechnet, wie viel der normale Fan investiert und abschließend zum "Support-Einstellen" auffordert, dass finde ich wirklich großartig. Liebe Leute, lasst euch nicht hinter das Licht führen und gebt alles für die Eintracht.
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Also ich lese die immer und : Vielen Dank dafür!
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Jetzt wird es bald Zeit zu fragen: "Schafft es ein deutscher Nationalspieler zur Eintracht?".
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Wenn schon auf der Newsseite mitgeteilt wird, dass sogar noch Stehplatztickets für das Pokalspiel zu haben sind, wäre es natürlich auch schön, wenn man sie im online-ticketing auch erweben könnte. So weit, wie die Eintrachtfans inzwischen überall verteilt sind, schaffen es sicher nicht alle in eine Vorverkaufsstelle.
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Es gibt es zu dem Sachverhalt bislang auch im Presseportal der zuständigen Polizei Köln keine Mitteilung, auch nicht zu dem angeblich gefundenen pyrotechnischen Material.
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Großartig der jetzt mögliche, direkte Zugriff auf das unentbehrliche Eintracht-Archiv von Frank Gotta. Auch gibt es jetzt einen direkten Weg in den Blog des geschätzten Kid Klappergass. Herzlichen Dank.
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Prima, ist ja doch noch nett geworden hier. Danke für den Zuspruch und die schönen Beifügungen.
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Schlechtes Timing“, sagt meine Frau und sie hat natürlich recht. Jetzt zwischen abflauendem WM-Interesse und ansteigender Eintracht-Begeisterung vor dem Saisonbeginn eine Geschichte über Europameisterschaften?
Und nicht einmal über die deutsche Mannschaft?
Und über einen Protagonisten, der schon lange aus der Erinnerung verschwunden ist und weder Geburtstag, Jahrestag noch sonst irgendeinen Anlass bietet, über ihn zu schreiben?
Egal, man kann sich´s nicht immer aussuchen. Vielleicht interessiert es doch jemanden.
Also:



Kann man Fussballeuropameister werden, wenn man das Endspiel verliert?
Noch merkwürdiger:
Kann man Fussballeuropameister werden, wenn man das Endspiel gegen Uruguay (!) verliert?
Ich setze noch einen drauf:
Kann man Fussballeuropameister werden, wenn man das Endspiel gegen Uruguay (!) bei den Olympischen Spielen verliert?
Da bekanntlich im Fussball nichts unmöglich ist, liegt die Antwort auf der Hand:
Ja, man kann Fussballeuropameister werden, wenn man das Endspiel gegen Uruguay (!) bei den Olympischen Spielen verliert!
Der Schweizer Nationalmannschaft ist dieses Kunststück 1924 gelungen, und zwar so:
Das Olympische Fussballturnier von 1924 in Paris war das erste Turnier, dass der 1904 gegründete Fussballweltverband FIFA organisierte; die erste „richtige“ WM fand erst 1930, die erste „richtige“ EM erst 1960 statt.
Es ist also sicher nicht verkehrt zu sagen, dass bei diesem Turnier im Jahre 1924 erstmals die weltbeste Mannschaft ermittelt wurde.
Zur Teilnahme der Schweizer Nationalmannschaft zitiere ich aus einem Prospekt des Schweizer Bundesamts für Kultur:
…Die Schweizer Kicker starten als krasse Außenseiter. Selbst größten Optimisten erwarten nicht allzu viel. Die späteren Helden reisen mit einem Kollektivbillett an, dessen Rückreise nur zehn Tage lang gültig ist. Auch das Hotel ist nur bis nach dem Match gegen die Tschechen gebucht. Trotzdem schafft die Schweiz die Sensation: Nach Siegen gegen Litauen, die CSSR ( im Wiederholungsspiel ), Italien und Schweden qualifiziert sie sich für das Endspiel gegen Uruguay….
…Am 9. Juni 1924 spielen die Eidgenossen vor über 50.000 Zuschauern das Finale gegen das überragende Team von Uruguay. Das Spiel soll auch ein Medienereignis werden: Erstmals ist eine Radiodirektübertragung geplant. Allerdings scheitert das Ganze am Wetter. Der Wind weht den Ballon mit der Kabine des Radioreporters aus der Sichtweite des Stadions. Die Übertragung muss abgebrochen werden. Erst am nächsten Tag erfahren die Schweizer Radiohörer von der Niederlage gegen Uruguay. Gegen die von José Leandro Andrade, dem ersten Weltstar des Fussballs geführten Südamerikaner, hat die Schweiz keine Chance und verliert mit 0:3…..
Nach der herrschenden Logik war Uruguay damit als beste Mannschaft der Welt Weltmeister und die Schweiz als beste Mannschaft Europas eben Europameister. Die Basler Nachrichten titelten zum Beispiel: „Das Schlussspiel des Fussballturniers. Uruguay Weltmeister – Die Schweiz Europachampion.“
Der Schweizer Stil wurde dabei gerühmt; die „BZ“ formulierte exemplarisch: “…Die Schweiz spielt einfach, gerade, ohne Tricks, aber mit erschütternder Elementarität. Sie rammt den Gegner mit eiserner Stirn, wie ein Stier den Stier bekämpft…“.
Einer der Silbermedaillengewinner war – und das ist der eigentliche Anlass für den langen Vorspann – der Angriffsspieler Walter Dietrich von Servette Genf, der etwa ein Jahr später zur Eintracht wechselte und ab der Saison 1925/26 nicht nur für mehrere  Jahre  zum Publikumsliebling wurde, sondern auch zum Garant für sportliche Erfolge avancierte.
Während zu Beginn der zwanziger Jahre der FSV Frankfurt – zu dem übrigens etwa ein Jahr zuvor Dietrichs Mannschaftskamerad Robert Pache gewechselt war - ein Abonnement auf die Mainbezirksmeisterschaft hatte, gelang es der Eintracht unter Dietrichs Spielführung, dem FSV langsam aber sicher, den sportlichen Rang abzulaufen. Im Jahr 1925 hatte der Fußballsportverein noch das Finale um die Deutsche Meisterschaft erreicht,  ab 1927/28 wurde die Eintracht fünfmal in Folge Meister des Mainbezirkes, nahm regelmäßig an der Endrunde um die süddeutsche Meisterschaft teil, gewann diesen Titel 1930 und 1932, nahm folglich auch mehrfach an den Finalrunden zur Deutschen Meisterschaft teil und stieß bekanntermaßen 1932 auch dort bis ins Endspiel vor.
Ulrich Matheja bringt in seiner Eintracht-Pflichtlektüre „Schlappekicker und Himmelsstürmer“ einen Auszug aus dem „Kicker“ vom 27.Oktober 1925, der die Wirkung von Walter Dietrich deutlich macht; weil es so schön ist, hier in verkürzter Form einfach noch einmal:
„…Dietrichs Spiel ist ein Genuss. Er spielt mit ebenso viel Technik, wie Geist, mit ebenso viel Grazie, wie Kraft, mit ebenso viel Verstand, wie Können. Er ist kurzum ein Prachtspieler und der zweite Schweizer in Frankfurt, der eine Frankfurter Mannschaft in die Höhe bringen wird. Seine Sturmführung ist formvollendet. Seine Einzelleistungen begeistern. Ich habe viele Mittelstürmer gesehen, Ungarn, Tschechen, usw., aber nachdem was ich bis jetzt zu sehen bekam, muss ich Dietrich als einen der besten bezeichnen…“.
Walter Dietrich hatte in Basel begonnen, Fussball zu spielen, war dann am Genfer See bei dem kleinen Klub Forward Morges aufgefallen und zu dem grossen Verein Servette Genf gelotst worden. Nach dem Olympiaturnier 1924 in Paris trat er mit seiner Nationalelf auch 1928 bei den Olympischen Spielen in Amsterdam an, schied aber bereits nach einer Partie aus. Für die Schweiz bestritt er 14 Länderspiele, wobei aber festzuhalten ist, dass damals nur Einsätze von mindestens 45-minütiger Dauer als statistisch absolvierte Länderspiele erfasst wurden.
Einer seiner Mannschaftskameraden war dort übrigens der Spieler Max Abegglen, der von seinen Mitspielern „Xam“ genannt wurde, was wiederum zu dem Palindrom „Xamax“ führt und erklärt, wie der Fussballklub in Neuchâtel zu seinem Namen kam.
Für die Eintracht bestritt Walter Dietrich nach der Statistik des wunderbaren Eintracht-Archivs über 200 Pflichtspiele, wobei er im Schnitt in jedem dritten Spiel einen Treffer erzielte.  
Um ihn gab es bereits einen echten Starrummel; hier zum Beleg noch einmal der „Kicker“ vom 27.10.1925:
„…Der Schweizer ist das Gesprächsthema der Fußballkreise geworden, besonders der Eintrachtkreise. Man trägt ohne Unterschied des Geschlechts – dank dem Bubikopf fällt´s nicht schwer – Dietrichsfiguren, es gibt Schirme, Marke Dietrich, es gibt Schuhe, Form Dietrich, es gibt Pralinen à la Dietrich, es wird bald Zigaretten à la Dietrich geben und die Speisehäuser und Cafés, die Wert auf Fußballkundschaft legen, werden nicht umhin können, eine Schildkrötensuppe à la Dietrich, ein Filetsteak à la etc. oder einen Magrazan à la Dietrich auf ihre Karten zu setzen…“.
In der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre zog er das schwarzrote Jersey aus.
Da er bereits während seiner aktiven Zeit teilweise als Spielertrainer fungiert hatte, lag es nahe, auch nach der Spielerkarriere dem Fußball treu zu bleiben; der FC Basel führt in 1939 in der Funktion des Trainers.
Hauptsächlich jedoch schlug er die Laufbahn eines Bauunternehmers ein, wobei er auch in diesem Lebensabschnitt für die Eintracht tätig blieb: nach dem großen Tribünenbrand 1936 war seine Baufirma in erheblichem Maße am Wiederaufbau beteiligt.
Im November 1979 ist Walter Dietrich mit 76 Jahren gestorben.
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Irland
http://www.irishtimes.com/newspaper/sport/2010/0522/1224270893128.html
Finale 1960. Selten gesehener Photoausschnitt: Man beachte die Arbeitsbedingungen auf der Pressetribüne.
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Heute morgen hat Leverkusen übrigens auch das A-Jgd. Finale gegen Hansa Rostock mit 0:1 verloren.